Auch in Freising zunehmend ein Problem:Risikofaktor Elterntaxi

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Zum Schulbeginn rufen Polizei, Schulleiter und Verkehrsclub dazu auf, die Kinder möglichst schnell alleine auf den Schulweg zu schicken, sie keinesfalls dauerhaft mit dem Auto zu bringen und damit ein gefährliches Verkehrschaos vor den Schulen zu erzeugen

Von Eva Zimmerhof, Freising

"Das Gefährlichste am Schulweg sind die Eltern", sagt Polizeihauptkommissar Michael Ertl. Ausgerechnet sie würden immer wieder für Verkehrschaos und gefährliche Situationen sorgen. So genannte Elterntaxis, die direkt vor den Schulen halten, sind auch in Freising zu einem echten Problem geworden. Zum Schulbeginn am morgigen Dienstag werden die Erwachsenen deshalb noch einmal ermahnt.

Eltern sollten unbedingt die Selbstständigkeit ihrer Kinder fördern und sie alleine gehen lassen, fordert Karin Buchner, Schulleiterin der Paul-Gerhardt-Schule. "Für Erstklässler ist es noch wichtig, am Anfang von Mama und Papa begleitet zu werden. Die sollten sich dann aber Stück für Stück zurücknehmen. Sie können ihr Kind erst bis zum Klassenzimmer bringen, dann nur noch bis zum Schultor, bis die Kinder schließlich den Weg ohne sie schaffen. Auch die Eltern müssen das Loslassen lernen." Gegen den "furchtbaren Begriff Helikoptereltern" wehrt sich Buchner dennoch entschieden: Jedes Kind brauche eine unterschiedliche Betreuung.

"Ich habe aber das Gefühl, dass Eltern ihren Kindern kaum noch etwas zutrauen", so die Schulleiterin. So würden immer mehr Elterntaxis ein gefährliches Chaos verursachen. "Wir haben gar nicht die Parkmöglichkeiten für so viel Verkehr", sagt Buchner. "Die Eltern parken kreuz und quer auf den Gehwegen oder fahren bis auf das Schulgelände." Michael Ertl von der Polizeiinspektion Freising bestätigt einen gravierenden Anstieg in etwa den vergangenen zehn Jahren - und: "Bei den Elterntaxis ist man Don Quijote", hat auch Peter Neurohr, Schulleiter von St. Lantbert festgestellt. "Wir bitten immer mit einem Elternbrief darum, die Kinder alleine gehen zu lassen, und wenn das Herfahren unbedingt sein muss, wenigstens von den Zebrastreifen Abstand zu halten."

Die Zahl der Schulwegunfälle im Präsidialbereich habe sich im Schuljahr 2015/2016 geringfügig auf 90 (von 87 im Vorjahr) erhöht, heißt es in der aktuellen Presseinformation des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord. 94 Kinder seien dabei verletzt worden. Im Gegensatz zum Vorjahr (ein Todesopfer) gab es jedoch keinen tödlichen Schulwegunfall. "Ob aus Gewohnheit oder Angst, Kinder mit dem Auto zu chauffieren, dafür gibt es meistens keinen Grund", sagt Anja Smetanin vom Verkehrsclub Deutschland. "Ganz im Gegenteil: Eltern, die ihr Kind bis vor das Schultor fahren, gefährden andere Kinder."

Eine klare Regelung gibt es in der Grundschule St. Lantbert: Dort dürfen Eltern die Erstklässler in der ersten Schulwoche bis in die Schule bringen und an den Klassenräumen abholen. Ab der zweiten Woche müssen die Eltern vor dem Schultor bleiben. "Nach zwei, drei Wochen sollen die Kinder den ganzen Weg alleine gehen", sagt Neurohr. "Eltern müssen ihren Kindern einfach mehr vertrauen." Er empfiehlt aber auch, den Schulweg zu trainieren. Eltern mit jüngeren Kindern sollten mit ihnen zusammen einen sicheren Weg festlegen und diesen mehrmals üben, fordern ebenso das Deutsche Kinderhilfswerk und der Verkehrsclub Deutschland in einer gemeinsamen Presseerklärung.

Dieser Weg müsse nicht der kürzeste sein, sollte aber "schwierige Straßen und Kreuzungen möglichst umgehen". Gleiches empfiehlt die Polizei, und als weiteren Tipp: Mit "heller, gut sichtbarer, am besten mit reflektierenden Materialien ausgestatteter Kleidung und Schulranzen" werden Kinder im Verkehr wesentlich schneller gesehen.

Die sichersten Wege zu den sechs Grundschulen hat die Stadt Freising ermittelt und dazu Schulwegpläne erstellt. Darin sind je mehrere, aus unterschiedlichen Richtungen zur Schule führende Routen farblich markiert, so dass es für jedes im Sprengel wohnende Kind einen passenden Schulweg gibt. Die Polizei fordert zudem alle Verkehrsteilnehmer auf, bei Schulkindern "besondere Vorsicht und Rücksicht walten zu lassen". "In der ersten Schulwoche sind wir im Stadtgebiet und im ländlichen Raum intensiv unterwegs, versichert Ertl, "dabei kontrollieren wir nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch, ob die Kinder richtig angeschnallt sind und in entsprechenden Kindersitzen sitzen."

Denn der Anteil der nicht gesicherten Autoinsassen an Verkehrstoten in Bayern ist laut Polizeipräsidium weiter hoch: Fast jeder vierte tödlich verunglückte Autoinsasse war 2015 nicht angeschnallt. Verkehrsteilnehmer sollten zudem daran denken, dass Kinder nicht über geparkte Autos hinwegsehen und unerwartet reagieren können, so der Hinweis der Polizei. "Es gilt die Devise: Zum Schutz der Kinder runter vom Gas und jederzeit bremsbereit." Zudem solle die Vorbildfunktion bedacht werden. Falsche Verhaltensweisen würden von Kindern schnell übernommen.

Die Schulwegpläne der Stadt Freising finden sich hier: www.freising.de/leben-wohnen/verkehr-parken/schulwegsicherheit/schulwegplaene; Busverbindungen zu den weiterführenden Schulen: www.stw-freising.de (Rubrik Stadtbus). Fragen dazu werden telefonisch (0 81 61/18 31 77) oder per Mail (stadtbus@stw-freising.de) beantwortet.

© SZ vom 12.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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