Auch eine Volksfestbilanz:Integration im Bierzelt

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Wenn OB Tobias Eschenbacher in diesem Jahr das erste Fass ansticht, feiert er auch seinen 40. Geburtstag. (Foto: efm)

Wie Zuwanderer von der bayerischen Kultur profitieren

Von Tobias Weiskopf, Freising

Zehn Tage lang ist bayerisches Brauchtum auf dem Freisinger Volksfest gelebt worden - auch von Menschen aus anderen Kulturkreisen. Erleben sie einen Kulturschock oder dient so ein Fest als Integrationskatalysator? Kann Integration im Bierzelt gelingen?

Hatice Öztas hat das Volksfest besucht. Türkische Wurzeln, Kindheit in Berlin, angekommen im Herzen Bayerns. Offen und herzlich spricht sie über die bayerische Kultur und ihr Leben in Freising. Man müsse sich anpassen, wo man lebt, so ihre Devise. "Ich lebe hier", sagt sie und deshalb schaue sie auf dem Volksfest vorbei, wann immer es gehe, nach der Arbeit und am Wochenende.

Gemeinsam mit ihrer Familie schlendere sie gerne zwischen den Fahrgeschäften umher und bewundere die bayerische Tracht, die jungen Burschen in Lederhosen und die Mädchen im Dirndl. Es sei großartig, wie die Traditionen weitergegeben und von den Jugendlichen aufgenommen würden, findet Öztas. Keine Frage, dass sie überall dabei ist: Natürlich auch im Bierzelt auf der Bierbank. "Ich mache alles mit, was ich kann."

Inzwischen habe sie einen deutschen Pass und fühle sich in Freising zu Hause. In der Türkei mache sie nur noch einmal jährlich Urlaub, sagt Öztas. Auch fernab vom Volksfest hat sich die aufgeschlossene Mutter mit deutschen Bräuchen angefreundet. An Ostern werden Ostereier gesucht und in der Weihnachtszeit wird der Stiefel bestückt, schließlich haben ihre Kinder es schon so im Kindergarten und in der Schule miterlebt. Türkische Sitten vermittelt die Muslima als kulturelles Erbe ihren Kindern natürlich gleichermaßen. Ihr Sohn habe eine Deutsche geheiratet, erzählt Öztas. Es komme darauf an, einander mit Respekt zu begegnen, dann sei es völlig egal, welche Religion oder Kultur jemand habe. Für sie gilt: "Mensch ist Mensch!"

Auch Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind und nach Deutschland kommen, bringen ihre Kultur, ihren Glauben und ihre Bräuche mit. Respekt und Offenheit gegenüber sämtlichen Religionen und dem Neuen, das auf einen zukommt, sind auch für den 40-jährigen Ali aus Syrien unabdingbar. Der Familienvater lebt mit seinen drei Kindern und seiner Frau in Neufahrn und besucht derzeit einen Deutschkurs. Zu fünft teilen sie sich ein Zimmer. Ali schildert, es sei viel zu klein und schwierig in einem Raum zu kochen, zu essen und zu schlafen. So ziehe es ihn und seine Familie nach draußen ins Grüne.

Ali schätzt die bayerische Natur und verbringt gerne Zeit im Englischen Garten in München. Auch ein Ausflug in den Biergarten gehört hin und wieder mal dazu. Während des Volksfestes seien ihm viele Menschen in Tracht begegnet, so Ali, weshalb er schmunzelnd erzählt, er wolle seinen beiden Söhnen für das nächste Jahr auch Lederhosen kaufen.

Die bayerische Offenheit, insbesondere im Hinblick auf die vielseitige Kultur, habe ihm auf jeden Fall geholfen, sich in seinem neuen Zuhause einzuleben, sagt Ali. Und auch wenn der Besuch mit der Familie auf dem Freisinger Volksfest dieses Jahr aus finanziellen Gründen nicht drin gewesen ist, blickt Ali nach vorne: "Ich spreche sehr gut Englisch und Arabisch und kann mir vorstellen am Flughafen oder in einem Hotel zu arbeiten."

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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