Abtauchen im Tonstudio:Eine Klangwelt in Magenta

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Hinter dem Mischpult zu Hause: der 24-jährige Roman Berger in seinem Tonstudio "Magenta Records" in Attenkirchen. (Foto: Marco Einfeldt)

Roman Berger ist immer auf der Suche nach neuen Tönen. In seinem Tonstudio hat der 24-Jährige aus Attenkirchen jetzt eine eigene CD produziert. Die Musik hilft ihm, mit einer schweren gesundheitlichen Belastung fertig zu werden.

Von Rebecca Seeberg, Attenkirchen

Präzise zeichnet der Künstler einen kleinen roten Fleck auf sein Werk. Man sieht ihn kaum, würde nie vermuten, dass er da ist, wenn man es nicht wüsste. Und doch hält gerade dieser rote Fleck das Bild zusammen. Es ist dieses Pünktchen, das es Roman Berger angetan hat. Der junge Mann ist Künstler, doch malen tut er weder mit Pinsel noch mit Tusche. Seine Werkzeuge sind Mischpult, Computer und diese ganz spezielle Tonfarbe - das Magenta. Lauscht man der Musik aus seinem Tonstudio, so meint man sie nach einiger Zeit herauszuhören, irgendwie tief und dunkel, aber auch warm.

Der 24-Jährige lebt und arbeitet in Attenkirchen in seinem Studio Magenta Records. Seine Kundschaft kommt aus den verschiedensten Musikrichtungen. Bekannt wurde Berger durch Mundpropaganda. Für Freunde oder Freundes Freunde begann der junge Technikbegeisterte Musik aufzunehmen, meistens gegen einen Kasten Bier oder eine Eintrittskarte für deren Konzerte. Durch wachsende Erfahrung und Ausrüstung bekam Berger immer mehr Aufträge, bis irgendwann berühmtere Gesichter an seine Tür klopften - unter anderem der Italiener Filippo Tirincanti, der durch das Lied "She Smiles" für eine Autowerbung vielen ein Begriff ist.

Ein epileptischer Anfall, dann ein MRT-Scan seines Gehirns

Berger selber ist immer auf der Suche nach neuen Tönen und einzigartigen Samples, die er in seinen Tracks verwenden kann. Denn der Produzent sitzt nicht nur hinter den Reglern, sondern macht auch seine eigene Musik. Elektronika nennt er die Stilrichtung, "elektronische Musik, die nicht wirklich eingeordnet werden kann". Im Mai dieses Jahres brachte er sein erstes eigenes Album unter dem Namen Various heraus, eine variierende, virtuose CD, an der auch einige andere Musiker beteiligt waren. Mit seiner eigenen Musik bringt Roman Berger all die Gefühle zum Ausdruck, die ihm zu diesem Zeitpunkt auf der Seele lasteten.

Denn kurz zuvor hatten sich die Ereignisse überschlagen. Ein epileptischer Anfall, MRT-Scan seines Gehirns, ein erbsengroßer Fleck, ein Tumor, gutartig zum Glück. Und Roman Berger verfällt nicht in trübsinniges Grübeln, sondern steckt all seine Energie in das, was er schon immer machen wollte - ein eigenes Album. Innerhalb eines Monats ist es fertig. Besonders gut gefällt ihm selber das Stück Deep Blue, das er komponierte, nachdem er von seiner Krankheit erfuhr. Düster und melancholisch klingt es. Doch je länger man zuhört, desto deutlicher erkennt man das für Berger charakteristische "Magenta". Es ist die "Aufbruchsstimmung in dem Moment, als mich der Ehrgeiz gepackt hat".

Der junge Produzent will von der Tontechnik irgendwann leben können

Der Künstler blickt zuversichtlich in seine Zukunft, denn von seiner Krankheit und der anstehenden Operation will er sich nicht unterkriegen lassen. Die Tür seines Tonstudios zu finden, ist übrigens gar nicht so einfach. Glücklicherweise weist der Friseur von nebenan routiniert den Weg durch das verwachsene Tor in den weiträumigen Garten und die Treppe runter zu den tiefer gelegenen Räumen. Dort wird man in einem stilvoll gestalteten Aufenthaltsraum empfangen, von dem es weiter in das professionell eingerichtete Aufnahmestudio geht. Alles ist in warmen Farben gestaltet - immer wieder taucht dieses Magenta auf. "Meine Philosophie ist, dass man bei der Musik spüren muss, dass sie mit Spaß und Sinn aufgenommen wurde", sagt Berger. Dazu trage auch eine angenehme Atmosphäre bei.

"Das wichtigste ist nicht die ganze teure Technik. Wenn die Aufnahme nicht stimmt und das Solo nicht mit Herzblut gespielt wurde, dann kriegt man das nie wieder rein, egal mit welchen Geräten." Obwohl die Tontechnik eine schwierige und unsichere Branche ist, will der der junge Produzent, der sein Geld derzeit noch als Triebwerksmechaniker verdient, irgendwann davon leben. Roman Berger sieht sich dabei nicht als Musiker, sondern als Soundengineer, sein Arbeitsplatz ist kein Studio, sondern eine Werkstatt. Stundenlang tüftelt er dort herum - zerlegt die Musik in ihre Einzelteile und setzt sie Stück für Stück wieder zusammen. Diese Begeisterung am Kreieren von Klängen habe ihn schon seit seinem ersten Computer nicht mehr losgelassen. "Da war ein Programm drauf, mit dem man Töne technisch erzeugen konnte", erzählt Berger mit leuchtenden Augen. Von da an habe er begonnen, sich ein wahres Sammelsurium an ausgefallenen Apparaturen zuzulegen.

Ein Theremin kann berührungslos gespielt werden und Diamanten im Lautsprecher geben hohe Töne wieder

"Das", Berger deutet voll Besitzerstolz auf einen kleinen braunen Kasten, in dem eine seltsam geformten Stange steckt, "das ist ein Theremin". Es kann berührungslos gespielt werden und wurde zur Entwicklung der ersten Synthesizer verwendet. "Und das", er richtet sich auf, "das sind zwei B&W 800 Nautilus Speaker, die weltweit in führenden Aufnahmestudios eingesetzt werden". Ganz oben, eingefasst in einem kleinen tränenförmigen Lautsprecher funkeln zwei Diamanten: die ideale Materie für die Wiedergabe hoher Töne.

Sein Wissen habe er sich nach und nach angeeignet. Geholfen habe ihm dabei besonders Ludwig Maier, ein Tonmeister aus Freising. "Es gibt Beruf und Berufung", sagt Berger. "Mein Beruf ist Triebwerksmechaniker. Aber das hier", er umfasst in einer großen Geste sein Studio, "das ist das wofür ich lebe und was ich gerne mache - wozu ich mich berufen fühle."

© SZ vom 16.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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