Archivstück des Monats März:Bürgermeister mit Weitblick

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Mit Amtskette in ein Buch vertieft: So porträtierte Hoffotograf Franz Ress Bürgermeister Stephan Bierner. (Foto: Stadtarchiv)

Stephan Bierner hat in Freising wichtige Weichen gestellt, daran erinnert das Stadtarchiv mit einem Foto aus dem Jahr 1902

Mit einer Amtszeit von 34 Jahren gibt es keinen Vorgänger oder Nachfolger, der länger als (Ober-)Bürgermeister Stephan Bierner das politische Tagesgeschäft Freisings gelenkt hat. Durch den städtischen Magistrat im Königreich Bayern zum ersten Mal gewählt, durchlebte er den Umbruch am Ende des Ersten Weltkrieges und wurde schließlich 1933 von den Nationalsozialisten aus dem Amt des Oberbürgermeisters entlassen.

Eine vom Stadtarchiv ausgewählte Fotografie - das Archivstück des Monats März - stellt Stephan Bierner 1902 als 35-jährigen Mann, drei Jahre nach seiner Wahl zum Freisinger Bürgermeister, dar. Die Aufnahme stammt von Hoffotograf Franz Ress, er entschied sich für eine typische Form des Porträts aus dem frühen 20. Jahrhundert. So war die sitzende Position für den Abgebildeten bequem, was auf Grund der langen Belichtungszeiten die Qualität der Aufnahme erhöhte. Gleichzeitig wird durch die geschickte Verwendung von Amtsinsignien, wie der Amtskette und das Sitzen auf dem Sessel, ein politischer Machtanspruch symbolisiert und die Person als Bürgermeister erkennbar gemacht. Um einen positiven Eindruck beim Betrachter zu bewirken, stellt Ress Bierner zudem in einer als natürlich empfundenen Position dar - lesend, den Blick nicht direkt in die Kamera gerichtet. Diese Einstellung sollte das Gefühl vermitteln, dass diese Person ihr Amt gut und mit angemessener Würde ausführt. Die Verwendung eines Buches stellt Bierner obendrein als gebildete Person heraus.

Bierner fördert den Bau neuer Siedlungen

Bierner war am 28. Mai 1867 im oberpfälzischen Langenthal geboren worden. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften begann seine politische Karriere in Ingolstadt als Rechtsrat des Stadtmagistrats. Am 28. Oktober 1899 wurde der 32-Jährige von den Freisinger Gemeindebevollmächtigten zum Bürgermeister der aufstrebenden Landstadt gewählt. In seinen ersten Amtsjahren setzte er die unter seinem Vorgänger Martin Mauermayr begonnene Ausweitung des Stadtgebiets fort. An unterschiedlichen Punkten wurden neue Siedlungen verwirklicht. So entstanden in Bierners Amtszeit zum Beispiel das architektonisch hervorstechende Villenviertel und etwas später die Arbeitersiedlung am Goldberg. Die Ansiedlung neuer Einwohner förderte die Entwicklung Freisings hin zu einem urbanen Zentrum, was sich nicht zuletzt durch den Ausbau der örtlichen Infrastruktur belegen lässt.

1902 eröffnete Stephan Bierner den Erweiterungsbau der Knabenschule St. Georg sowie mit der Schwimm- und Badeanstalt eine bis heute bestehende Freizeit-Einrichtung. Mit dem Neubau des Freisinger Rathauses in den Jahren 1904/05 schuf er, nach den Plänen des Münchner Architekten Günther Blumentritt, ein neues politisches Zentrum für Freising. Auch die lokale Wirtschaft konnte er in den Folgejahren durch eine geschickte Politik stärken. So wurde 1905 der Ort Neustift nach Freising eingemeindet, und das bayerische Militär verlegte seinen Standort von dort in die neu eingerichtete "Jägerkaserne" auf den Freisinger "Wehrberg". Das alte Kasernengebäude in Neustift kaufte die Stadt, mit dem Ziel, es an einen Unternehmer zu veräußern, der dringend benötigte Arbeitsplätze schuf. In Carl Feller aus Lauingen fand man schließlich einen solchen Unternehmer: Er etablierte eine Tuchfabrik.

Die Nazis setzen Bierner im März 1933 ab

Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges ebbte die Aufbruchsstimmung ab. Mit der Einführung einer demokratischen Ordnung und Ratsverfassung in den bayerischen Kommunen begann für den königlichen Hofrat Bierner 1919 ein neues Kapitel seiner Amtszeit. So erhielt der Stadtrat eine deutliche Aufwertung seiner politischen Kompetenzen und seines Mitspracherechts. Aber auch die Stellung des Bürgermeisters wurde aufgewertet und Bierner am 29. Februar 1924 der Titel eines Oberbürgermeisters verliehen. Die Amtszeit Bierners endete abrupt mit seiner Entlassung durch die neue nationalsozialistische Regierung im März 1933. Erst 1946 erhielt er die Ehrenbürgerwürde, eine späte Ehrung für seine Verdienste um die Stadt. 1951 starb der Altoberbürgermeister in seinem Geburtsort Langenthal; bestattet wurde er in einem Ehrengrab auf dem St.-Georgs-Friedhof in Freising.

© SZ vom 05.03.2018 / sz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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