"Archivstück des Monats":Hitlers Dankesschreiben

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Das Archivstück des Monats: Hitler bedankt sich bei der Stadt Freising. (Foto: oh)

Der nationalsozialistische Stadtrat hat den Führer 1933 zum Ehrenbürger gemacht und die Hauptstraße nach ihm benannt

Einen dunklen Teil der Geschichte beleuchtet das vom Freisinger Stadtarchiv ausgewählte aktuelle "Archivstück des Monats": Es ist ein Schriftstück, in dem Adolf Hitler die ihm angetragene Freisinger Ehrenbürgerwürde annimmt.

Am Abend des 10. Mai 1933, gut drei Monate nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, kam in Freising ein neuer, nationalsozialistisch dominierter Stadtrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die Sitzungsleitung lag in Händen des Bürgermeisters Gottlieb Schwemmer (NSDAP), der das Amt seit dem (erzwungenen) Rücktritt Stephan Bierners am 23. März kommissarisch führte.

Das Gremium war mit dem Stadtrat in der bisherigen Form nicht mehr vergleichbar: Zum einen besaß es keine demokratische Legitimation; die einzelnen Räte wurden nicht durch Wahl bestimmt, sondern durch einen Ende April einberufenen "Wahlausschuss", dem zum überwiegenden Teil Funktionäre der NSDAP angehörten. Zum anderen gab es die kommunale Selbstverwaltung, den rechtlichen Handlungsrahmen, in dem ein Gemeinde- oder Stadtrat politisch agierte, nicht mehr; mit Hitlers "Vorläufigem Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" vom 31. März 1933 war sie aufgehoben worden. Auch auf kommunaler Ebene trat an die Stelle der demokratischen Ordnung, die die Nationalsozialisten mit erschreckender Geschwindigkeit zerlegt hatten, das Führerprinzip. Der Bürgermeister war nunmehr der Alleinverantwortliche, der Stadtrat hatte nur noch beratende Funktion.

Die Konstituierung des neuen Stadtrats nutzten Gottlieb Schwemmer und sein Stellvertreter, SA-Sturmbannführer Hans Lechner, noch für ein anderes Vorhaben: Als äußerliches, weithin wahrnehmbares Zeichen der nationalsozialistischen Herrschaft sollte Freisings bedeutendste Straße, die Hauptstraße, den Namen "Adolf-Hitler-Straße" erhalten. Diesem Ansinnen stimmte das Ratsgremium ebenso "einstimmig" und "einmütig" zu wie dem Vorschlag, vier Herren die Ehrenbürgerwürde anzutragen: Neben Hitler waren das Reichspräsident Paul von Hindenburg, Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp und SA-Stabschef Ernst Röhm.

Dreieinhalb Monate später, am 30. August 1933, unterzeichnete Hitler in Berlin ein maschinenschriftliches Schreiben, in dem er die angetragene Ehrenbürgerschaft annahm und sich darüber hinaus für die nach ihm umbenannte Freisinger Hauptstraße bedankte. Laut dem Eingangsstempel erreichte das Schreiben seinen Bestimmungsort allerdings erst am 12. Dezember 1933. Ob auch Hindenburg, Epp und Röhm die Ehrenbürgerschaft angenommen haben, ist nicht zu ermitteln. Sowohl Röhm als auch Hindenburg wären nur kurzzeitige Träger gewesen: Röhm wurde Anfang Juli 1934 im Zusammenhang mit dem "Röhm-Putsch" ermordet, Hindenburg starb wenige Wochen später, im August 1934. Was die Straßenbezeichnung betrifft, so wurde - anders als vorgesehen - nicht die ganze Hauptstraße, sondern lediglich der obere und mittlere Teil in "Adolf-Hitler-Straße" umbenannt, der untere Teil in "Hindenburgstraße".

Infolge der Befreiung der Stadt durch die U.S.-Armee am 29. April 1945 wurden die Straßenbezeichnungen der NS-Zeit, darunter auch die "Adolf-Hitler-Straße" und die "Hindenburgstraße", zügig umbenannt. In aller Regel erhielten die Straßen ihre angestammten Namen zurück. Sämtliche Ehrenbürgerschaften, die während der NS-Zeit verliehen wurden, hob der Freisinger Stadtrat im März 1946 auf.

© SZ vom 09.07.2018 / sz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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