Angst vor Flüchtlingen:Den Verstand einschalten

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Höhlenkunst der Steinzeit in der Archäologischen Staatssammlung in München. - Laut dem Psychologen Martin Seligman ist die Angst vor dem Fremden evolutionsmäßig im Menschen verankert. (Foto: Robert Haas)

Urängste und Sozialneid ergeben eine unangenehme Mixtur.

Von Peter Becker, Freising

Urängste und ein wenig Sozialneid, das ist eine Mixtur, die immer wieder auftaucht, wenn in einer Kommune Asylbewerber einziehen sollen. So auch bei der Bürgerversammlung am Montagabend in Tegernbach. Männer sorgen sich um die Sicherheit ihrer Frauen und Kinder. Frauen graut es vor der Vorstellung, dass bald 50 auf sich allein gestellte junge Männer ins Dorf ziehen könnten. Manche Zeitgenossen unterstellen den Flüchtlingen per se Böswilligkeit: Frauen und Kinder belästigen, Diebstähle oder gar Anschläge ausbaldowern, weil sie ansonsten ja nichts Besseres zu tun haben. Andere wiederum argwöhnen, dass Flüchtlinge eine bevorzugte Behandlung erfahren, ihre Kinder etwa eher einen Platz in einer Tagesstätte erhalten.

Glaubt man der These des Psychologen Martin Seligman, dann sind diese Ängste evolutionsmäßig im Menschen verankert. Es ist die Angst vor den Fremden. Sie stammt aus Zeiten, in denen die Gemeinschaft davon bedroht war, dass andere Sippen sie überfielen, mordeten, Frauen und Kinder verschleppten.

Flüchtlinge in Tegernbach
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Diese Ängste entschuldigen keine verbalen Entgleisungen, die sich einige Bürger leisteten. Dem entschiedenen Auftreten von Irmgard Eichelmann und Bürgermeister Konrad Schickaneder ist es zu verdanken, dass sich diese in Grenzen hielten. Beide mussten sich freilich bisweilen Gelächter gefallen lassen, als sie Ressentiments zu widerlegen suchten. Manche Bürger halten eben ebenso gerne an ihren Vorurteilen fest wie mancher Flüchtling es nach Worten von Eichelmann seiner Familie nicht mitzuteilen wagt, dass eben auch in Deutschland weder Milch noch Honig fließen. Wenn die Flüchtlinge erst da sind, lautet das Gebot der Stunde: Sie in der Mitte aufnehmen und den Verstand einschalten. Wer miteinander redet, der baut Vorurteile ab.

© SZ vom 27.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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