Amtsgericht Freising:Die falschen Ordnungshüter sind doch echt

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30-Jähriger entzieht sich Kontrolle, weil er sich bedroht fühlt. Das Verfahren wird eingestellt

Von Alexander Kappen, Freising

Laut Anklage war es "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte". Für einige Zeugen dagegen war es "ein dilettantischer Polizeieinsatz", bei dem sie nicht den Eindruck hatten, als seien hier echte Ordnungshüter am Werk. Weil er sich im April 2018 in der Nähe des Freisinger Bahnhofs einer Personenkontrolle durch Zivilpolizisten, deren Echtheit er anzweifelte, hatte entziehen wollen, saß am Mittwoch ein 30-Jähriger im Amtsgericht Freising auf der Anklagebank. Nachdem sich der Staatsanwalt zunächst noch gesträubt hatte, stellte Richter Michael Geltl schließlich doch mit Einverständnis aller Beteiligten das Verfahren ein.

Allerdings muss der Angeklagte als Auflage 3000 Euro an einen der beiden Zivilpolizisten zahlen. Der war in der Verhandlung als Nebenkläger aufgetreten, weil er bei dem Einsatz über eine etwa 40 Zentimeter hohe Hecke gestolpert war und sich verletzt hatte.

Der 30-jährige Freisinger glaubte bei der Kontrolle, falsche Polizisten vor sich zu haben. Mehrere Passanten berichteten, dass der Angeklagte laut um Hilfe gerufen habe. Eine Frau, die in derselben Gegend wohnt wie der Angeklagte und am Ort des Geschehens vorbeiging, sagte, der 30-Jährige habe gerufen: "Nachbarin, hilf mir, das ist keine Polizei." Ein anderer Zeuge hatte Ähnliches gehört. Der Angeklagte habe geschrien: "Ruft die Polizei, ruft die Polizei." Der 30-Jährige sei "ganz geschockt" gewesen. Dass er Angst hatte, habe man an seinem Gesichtsausdruck gesehen. Ein anderer will die Angst in den Augen des Angeklagten erkannt haben.

Zwar hatten sich die jungen Zivilbeamten laut Zeugen als Polizisten zu erkennen gegeben und auch kurz einen Ausweis vorgezeigt. Diesen bekamen sie aber nur kurz zu Gesicht und konnten nicht einschätzen, ob er echt war. Jedenfalls waren die Zeugen nicht sicher, ob es sich um echte Polizisten handelte, deshalb riefen sie "die echte" Polizei. Erst als eine uniformierte Streife eintraf, habe sich der Angeklagte beruhigt.

Zuvor hatte er sich mit den Zivilpolizisten zu Fuß eine Verfolgungsjagd geliefert, die von Zeugen als "komisch" bezeichnet wurde und "anders, als man sich einen Polizeieinsatz vorstellt". "Die sind immer um einen Pflanzentrog rumgelaufen - wenn einer der beiden Polizisten stehen geblieben wäre, hätten sie ihn eigentlich gehabt", sagte ein Zeuge. Dann lief der Angeklagte offenbar durch den Durchgang einer kleinen Hecke, während der Nebenkläger drüber springen wollte, hängen blieb und stürzte. "Der ist dann liegen geblieben und hat gejammert", so ein Zeuge. Der Angeklagte sei daraufhin stehen geblieben, so dass der zweite Polizist ihm Handschellen anlegen konnte - allerdings nur an einer Hand. "Wenn er wollen hätte, wäre er sicher entkommen", mutmaßte der Zeuge. Erst die uniformierten Polizisten "haben ihn dann gescheit festgenommen, mit Handschellen an beiden Armen, innerhalb von drei Sekunden und ohne Probleme". Dass der Angeklagte großen Widerstand leistete, konnte keiner der Zeugen bestätigen.

Der Richter hielt die Aussage des Angeklagten "nicht für unglaubwürdig, fingierte Polizeikontrollen gibt es öfter, das war nicht aus der Luft gegriffen - und es waren jugendliche Polizisten". Allerdings habe sich der Freisinger mit dem Davonlaufen fahrlässig verhalten, so dass "eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung im Raum steht". Mit der Geldauflage ist die Sache erledigt.

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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