Am Morgen in der S-Bahn:Überfallartige Attacke

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Ein 49-jähriger Mann, der bislang als völlig unbescholten galt, muss 18 Monate ins Gefängnis, weil er zwei junge Frauen sexuell belästigt und verfolgt hat

Von Peter Becker, Freising

Ein bislang unbescholtener 49-jähriger Mann muss für 18 Monate ins Gefängnis. Er hatte sich wegen sexueller Nötigung zweier junger Frauen vor dem Freisinger Amtsgericht verantworten müssen. Die Übergriffe ereigneten sich jeweils in einer S-Bahn, die am frühen Morgen vom Freisinger Bahnhof abfährt. Die Taten waren für sich genommen nicht übermäßig gravierend gewesen. Das Schöffengericht unter dem Vorsitzenden Richter Manfred Kastlmeier setzte aber die Begleitumstände der Vorfälle wie kleine Puzzleteile zusammen. Am Ende sprach wenig für den Angeklagten. Richter Kastlmeier will mit seinem Urteil ein Signal an die Öffentlichkeit aussenden: "Die Leute sollen unbesorgt öffentliche Verkehrsmittel benutzen können - auch in der Nacht", sagte er.

Hätte sich der Angeklagte nur einmal etwas zu Schulden kommen lassen oder wäre er zumindest geständig gewesen, er wäre wohl mit einer Bewährungsstrafe davongekommen. Das deutete Richter Kastlmeier in seiner Urteilsverkündung an. Der 49-Jährige gab nur einen der beiden Vorfälle zu. Er hatte einer 30-jährigen Frau im Vorübergehen "aus Spaß" an eine Brust gefasst. Den gravierenderen Zwischenfall stritt er ab. Er behauptete, die 20-jährige Frau, die als Hauptzeugin in dem Verfahren auftrat, nicht zu kennen.

Die 20-Jährige schilderte, wie sie an einem Märztag im vergangenen Jahr in eine S-Bahn eingestiegen war, die gegen 5.30 Uhr am Freisinger Bahnhof abfährt. In ihrer Sitzgruppe saßen zunächst weitere Personen, die aber vor der Abfahrt das Abteil wechselten. Irgendwann habe der Angeklagte ihr schräg gegenüber Platz genommen und sie fortwährend angestarrt. Plötzlich stand er auf, drückte ihre übereinander geschlagenen Beine auseinander und griff ihr in den Schritt. Anschließend setzte er sich wieder auf seinen Platz und starrte sie weiterhin an.

Die junge Frau sagte, sie sei erschrocken gewesen. Anzeige erstattete sie noch nicht. Dazu entschloss sich die 20-Jährige erst, als sie der Mann in den folgenden Wochen zu verfolgen begann. "Er war wie ein Schatten", sagte die Zeugin. Sie nahm den Angeklagten plötzlich im Bus wahr. Eines Tages stand er an ihrer Haltestelle. Er setzte sich im S-Bahn-Abteil in ihre Nähe, tauchte an ihrem Arbeitsplatz auf. "Es war echt schlimm", beteuerte die Zeugin. Als sie glaubte, sein Gesicht vor der Hautür gesehen zu haben, wurde es ihr zu viel. Auf den Rat einer Freundin hin fotografierte sie den Mann und zeigte das Bild der Polizei.

Eine Streife stellte den Angeklagten auf dem Bahnsteig. Zufällig saßen dabei sowohl die 30-, als auch die 20-Jährige nebeneinander. Als die ältere der Beiden fragte, was die Aktion wohl bedeute, schilderte die Jüngere ihre Erlebnisse. Die 30-Jährige erzählte anschließend von ihrem Vorfall. Der Mann habe sie danach öfters durch das Fenster vom Bahnsteig in Neufahrn aus angestarrt, fügte sie hinzu.

Verteidiger Johann Kohlschmidt bezweifelt die Angaben der 20-Jährigen. "Da steht Aussage gegen Aussage", sagte er und forderte einen Freispruch für seinen Mandanten. Das Schöffengericht indes hält die Zeugin für glaubwürdig. "Wir schließen ein Komplott aus", sagte Richter Kastlmaier. Er ist überzeugt, dass der Angeklagte sich in überfallartiger Manier der 20-Jährigen genähert habe. Schwer wiegt das Verhalten nach der eigentlichen Tat, das an Nachstellung grenzt. "Er ist der Frau nachgelaufen", sagte der Richter. Diese habe sich einen Roller gekauft, um nicht mehr mit dem Bus zum Bahnhof fahren zu müssen und habe sich in eine andere Schicht versetzen lassen. Die 20-Jährige hat nach eigenem Angaben die Ereignisse gut verarbeitet.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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