Alte Freisinger Ansicht:Historisch wertvoll

Lesezeit: 2 min

Eine Lithografie aus der Zeit um 1835/40 zeigt diese Perspektive der Freisinger Innenstadt. Es ist das Archivstück des Monats. (Foto: Stadtarchiv Freising)

Das Archivstück des Monats ist eine Kreidelithografie aus den Jahren um 1835/1840

Im Gegensatz zu historischen Ansichten, die Freising aus einer gesamthaften Perspektive wiedergeben, sind solche, die einzelne Häuser oder Straßenzüge im Detail zeigen, nur sehr selten gefertigt worden. Visuell greifbar ist das Stadtgeschehen genau genommen erst seit dem Aufkommen der Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts. Den wenigen Detailansichten aus der Zeit davor muss man umso größeren Wert beimessen, betont Stadtarchivar Florian Notter. Das gelte beispielsweise für eine Serie von 17 überwiegend kleinformatigen Kreidelithografien aus den Jahren um 1835/40.

Neben einer Gesamtansicht, die Freising von Nordosten her in den Blick nimmt, und einer Darstellung des Stadtwappens stellen die übrigen 15 Lithografien verschiedene Gebäude, Plätze und Straßen in und um Freising vor: So etwa den Domplatz, den Marienplatz, das Münchner Tor, das Stadtkrankenhaus an der Kammergasse, die Isarbrücke oder die Kaserne in Neustift. Welcher Künstler diese reizvollen und historisch aussagekräftigen Bildchen geschaffen hat, ist - wie auch der Entstehungskontext - nicht bekannt.

Eine der Ansichten zeigt einen Teil der Unteren Hauptstraße, genauer: jenen Abschnitt vom Marienplatz bis ungefähr auf die Höhe des Hofkanzlerhauses, der heutigen Hofapotheke. Es bildet das Archivstück des Monats Dezember. Der Standort des Künstlers befindet sich nahe der Südseite des Marienplatzes, den er vermutlich der besseren Perspektive wegen imaginär einige Meter in die Höhe verlegt hat.

Die Straße wird von alltäglichem Geschehen bestimmt: einige wenige Passanten, Wagen, Kutschen; und auf dem Platz ein paar Stände, an denen Händler Waren feilbieten. Das Hauptaugenmerk des Künstlers gilt den Hausfassaden der nordseitigen Hauptstraßenbebauung, die eine lange, heterogene Reihe bilden. Vom Eckhaus Marienplatz/Untere Hauptstraße bis zum Hofkanzlerhaus sind es 17 Stadthäuser, allesamt unterschiedlich hoch und breit und verschiedenartig gestaltet. Über dem Ende der Häuserzeile ragt der kleine barocke Dachreiter der 1803 säkularisierten Franziskaner-Klosterkirche hervor.

Einige Häuser sind bis heute erhalten geblieben, manche davon weitgehend unverändert. So zum Beispiel das Hofmarschallhaus, das ab 1756 für den fürstbischöflichen Hofmarschall neu errichtet wurde. Von der in den 1780er-Jahren im ersten Obergeschoss eingerichteten fürstbischöflichen Stadtwohnung zeugt heute noch der Balkon mit dem schmiedeeisernen Geländer. Im 19. Jahrhundert diente das Haus als Rentamt (Finanzamt). Ebenso unverändert präsentiert sich das östlich anschließende Haus mit seinem spätbarocken Fassadenschmuck. Von einiger Bedeutung war zum Zeitpunkt der Entstehung des Bildchens ein ehemaliger Domherrenhof, der das 19. Jahrhundert über als Landgericht, der historische Vorgängerbehörde des heutigen Landratsamtes, genutzt wurde.

Um 1840 erweiterte der Heiglbräu Franz Seraph Sporrer sein Anwesen (auf der Ansicht Nr. 3), indem er die beiden östlich anschließenden Stadthäuser (Heiglbäcker, Weindlbräu) hinzukaufte und zu einem Haus zusammenfasste; im späten 19. Jahrhundert erhielt das Anwesen den Namen "Bayerischer Hof". Zu Beginn der Siebzigerjahre wurden auch die ersten beiden, einschließlich der jeweils rückwärtigen, Parzellen zu einem Anwesen zusammengefasst, allerdings durch einen vollständigen Neubau, der sich nach wie vor nicht recht ins Platzbild einzufügen vermag. Im Vergleich mit der Lithografie hat die nordseitige Häuserzeile der Unteren Hauptstraße also gerade in ihrem westlichen, zum Marienplatz hin gelegenen Abschnitt während des 19. und 20. Jahrhunderts an Heterogenität und Spannung eingebüßt.

© SZ vom 27.11.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: