Allershausen:Tradition und Moderne

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Die Reckmühle ist seit 200 Jahren im Besitz der Familie Müller. Statt Korn zu mahlen wird heute dort Holz gesägt - und der Juniorchef sorgt sich um Ökologie und Nachhaltigkeit

Von Alexandra Vettori, Allershausen

Der Weg führt an einem Neubaugebiet vorbei, am Glonnpark, nach der Brücke geht es dann scharf nach links - und der Besucher fühlt sich unvermittelt um Jahrhunderte zurückversetzt. Malerisch liegt am Ende der Birkenallee ein herrschaftlich anmutendes Wohnhaus, barocke Schnörkel zieren den Giebel, die Eingangstür ist reich verziert. Kommt man näher, ist schnell klar, dass die Allee keineswegs in die Vergangenheit führt, denn aus dem Portal tritt keine adlige Dame mit Schirmchen, sondern Christoph Müller, Juniorchef des Sägewerks Reckmühle, in Jeans und Holzfällerhemd.

Der 34-Jährige stellt die sechste Generation der Müllers an diesem malerischen Flecken Erde dar, seit 200 Jahren ist die Reckmühle in Familienbesitz. Die Mühle selbst, oder ihre Vorgänger, gibt es aber schon viel länger. Die erste Erwähnung in einer Urkunde des Klosters Indersdorf stammt aus dem Jahr 843, darin ist von einer Mühle zu Ried die Rede. Die nächste Notiz spricht von einer Zerstörung durch die Hunnen, später, 1632 im Dreißigjährigen Krieg, machten die Schweden das Anwesen dem Erdboden gleich. Doch immer wieder wurde es aufgebaut, zuletzt 1646.

Malerisch an einem Glonnkanal gelegen ist die Reckmühle bei Allershausen. (Foto: Marco Einfeldt)

Gleich neben dem stattlichen Wohnhaus fließt der Mühlbach, der kurz danach wieder in die Glonn mündet. Dort ist es endgültig vorbei mit der Beschaulichkeit. "Hier ist der Holzplatz", erklärt Müller. Berge von Holzstämmen aller Art, mit und ohne Rinde, stapeln sich, daneben Bretter und Papierholz.

Hier ist das Reich von Benedikt Müller, dem Seniorchef. Seit er 18 war und aus dem Internat zurückkam, arbeitet er im heimischen Betrieb, damals wurde noch Mehl gemahlen. Wie sein Sohn Christoph findet er es einerseits schön und sinnstiftend, innerhalb der Familientradition zu leben. "Aber es ist auch Verantwortung, man kann nicht einfach etwas anderes machen", sagt Christoph Müller. Der Vater hat das selbst erlebt: "Ich wollte eigentlich Jura studieren und den Mehlstaub habe ich gar nicht vertragen", erzählt er. Es war dann auch unter seiner Regie, dass in den 1960er Jahren Schluss war mit dem Kornmahlen.

Holz wurde schon damals nebenbei gesägt, schon seit über 100 Jahren. In den Sechzigern herrschte ein Mühlensterben in Deutschland, große Anlagen wurden staatlich gefördert, die Kleinen bekamen eine Entschädigung fürs Aufhören. Das Geld haben die Müllers in die Stromgewinnung gesteckt, seither laufen Turbinen im alten Mühlenhaus. Heute sind es zwei, die bei idealem Wasserstand 69 Kilowattstunden liefern, "das deckt den Strombedarf des Sägewerks", sagt Christoph Müller.

Mehl wird hier schon seit den 1960er Jahren nicht mehr gemahlen, dafür arbeitet ein Sägewerk mit Strom aus Wasserkraft. Das Holz kommt, bis auf die Lärche, die nur in den Bergen wächst, aus Wäldern in den Landkreisen Freising und Pfaffenhofen. (Foto: Marco Einfeldt)

Ökologie und Nachhaltigkeit sind die Themen, die dem Junior am Herzen liegen, längst gibt es auch eine Fischtreppe und fischfreundliche Rechen. Sein nächstes Projekt ist eine Holzhackschnitzelheizung, die wird mit den anfallenden Resten das Haus wärmen. Die technische Ausstattung des Sägewerks stammt aus den Achtzigern, ohne Hightech, geschnitten wird mit Augenmaß und einem Schaltknüppel. An dem sitzt der Gatterführer, derzeit ist es Josef Hammerl, einer von vier Mitarbeitern. Seit 28 Jahren arbeitet er hier. Groß investieren will Benedikt Müller nicht, "sonst müsste ich ja Unmengen von Holz sägen", sagt er verschmitzt. Man produziere für den regionalen Markt, das reiche, und die Kunden schätzten genau das.

Mit der Familiengeschichte hat sich vor allem Quirin Müller, der Bruder von Benedikt, beschäftigt. Der Großvater hatte eine Chronik geschrieben, eine lebendige Schilderung der Jahrhunderte, in denen es auf und ab ging mit der Mühle. Der erste Benedikt Müller stammte aus Oberhausen, heute ein Ortsteil von Petershausen. Er erstand die Reckmühle für 9000 Gulden, ein Schnäppchen, was daran lag, dass sie völlig herunter gewirtschaftet war. Die Zeiten waren schlecht, wie Quirin Müller weiß, "sie haben sogar aus dem Kehricht der Mühle noch Brot gebacken".

Ein paar Jahre später hatte es der fleißige und laut Chronik lebensfrohe Benedikt I. jedoch geschafft, der Betrieb florierte. Er selbst aber kam 1833 ums Leben, wie die Chronik berichtet: Nach einer Einkehr bei der Schlosswärterin in Schleißheim scheuten seine Pferde am Maisteig, er selbst wurde so schwer verletzt, dass er, so der Text, "nachts den Geist aufgab".

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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