Alkohol und mehr:Raus aus der Sucht

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Wenn er einen über den Durst getrunken hat, rastet ein 48-Jähriger aus dem Landkreis Ebersberg regelmäßig aus - das hat ihm nun einen Termin am Amtsgericht eingebracht. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Immer mehr Menschen suchen sich Hilfe bei der Beratungsstelle Prop. Erstmals steigt die Zahl der Klienten auf über 1000 pro Jahr. Männer haben meist ein Alkoholproblem, die Frauen leiden oft unter Abhängigkeit von Medikamenten

Von Peter Becker, Freising

Immer mehr Menschen suchen bei der Suchtberatungsstelle Prop in Freising Hilfe. Erstmals stieg die Zahl der Ratsuchenden über die Marke von 1000 Klienten. 972 Personen hatten im Jahr 2013 die Beratungsstelle aufgesucht. Für 2014 weist der Prop-Jahresbericht 1016 Menschen aus. Die Zahl der Betreuungen stieg dementsprechend von 1072 auf 1361. Mit 79,7 Prozent standen persönliche Kontakte im Vordergrund. Entsprechend der Verteilung der Suchterkrankungen auf die Geschlechter ließen sich mehr Männer (668) als Frauen (348) beraten. Prop begründet dies mit der hohen Zahl von Alkoholabhängigen unter den Männern, während Frauen mehr zur Abhängigkeit von Medikamenten tendierten. Umgekehrt verhält es sich so, dass sich bei Angehörigen von Suchtkranken eher Frauen als Männer beraten lassen.

Was das Alter der Klienten betrifft, gibt es bei den männlichen Konsumenten zwei Schwerpunkte. 243 Jugendliche finden sich insgesamt unter den Gruppen der 15- bis 18- sowie den 19- bis 21-Jährigen. Während die folgenden Jahrgänge weniger mit Suchtkrankheiten behaftet sind, steigt die Anzahl in den mittleren Lebensjahren bis hin zum Alter noch einmal stark an: In der Gruppe der 35- bis 49-Jährigen finden sich 159 Kunden der Suchtberatungsstelle, in der von 50 bis 64 Jahren reichenden Gruppe immerhin noch 96. Bei den Frauen bleibt die Zahl bis zu den Mittdreißigern relativ gering (36), um dann in der Gruppe der 35- bis 49-Jährigen auf 127 anzusteigen. Wie hoch die Zahl der Betroffenen bei den 65-Jährigen ist, können die Suchtberater nur vermuten. Ebenso wie bei Frauen scheint die Abhängigkeit von Medikamenten hoch zu sein. Diese Zielgruppe ist laut dem Jahresbericht nur schwer erreichbar.

Seit Bestehen der Beratungsstelle bemüht sich Prop besonders um die Versorgung junger Suchtkranker. Ein Problem ist dabei, dass der Bezirk Oberbayern nur die Behandlung erwachsener Patienten finanziell unterstützt, die minimale Versorgung von Jugendlichen aber nur als Notfallversorgung toleriert. Mittels Fundraising gewann Prop Sponsoren, die es ermöglichten, im September 2013 eine Jugendsprechstunde für junge Suchtkranke einzurichten. Diese umfasst zehn Stunden in der Woche und basiert auf freiwilliger Basis. Sie ist der Eintritt in das Suchthilfesystem von Prop. Notwendig war sie geworden, weil sich seit dem Jahr 2007 die Zahl der jungen Klienten von 62 auf 328 im Jahr 2014 mehr als verfünffacht hat.

Im vergangenen Jahr hat sich die Suchtberatungsstelle laut Jahresbericht besonders intensiv um ältere Klienten gekümmert. 184 gab es davon in der Altersklasse von 50 bis 64 Jahre. 21 Personen waren über 65 Jahre alt. Darunter hatten 13 Alkoholprobleme, die übrigen acht waren Angehörige. Um die meisten Betroffenen kümmert sich die Beratungsstelle selbst. Einzelne Personen vermittelt sie an stationäre Einrichtungen zur Entgiftung oder Entwöhnung weiter.

Laut Jahresbericht handelt es sich bei den älteren Menschen um eine schwierige Klientel. Sie sähen oft nicht die Notwendigkeit einer Suchtberatung, heißt es im Bericht. So nimmt es nicht Wunder, dass es meist Angehörige waren, die bei Prop um Hilfe suchten und um Hausbesuche bei ihren Eltern baten. Diese "heimliche" Vorgehensweise verstößt jedoch gegen das Freiwilligkeitsprinzip der Suchtberatungsstelle.

Die deutsche Hauptstelle für Suchtfragen unterscheidet zwischen Menschen, bei denen ein schädlicher Konsum von Suchtmitteln bereits seit dem frühen oder mittleren Erwachsenenalter vorliegt, und solchen, die etwa durch den Verlust des Lebenspartners, Eintritt in die Rente und Vereinsamung in Alkoholabhängigkeit geraten sind. Auf Grund des veränderten Stoffwechsels kann im Alter schon bei niedrigen Dosen eine Abhängigkeit von Alkohol oder Medikamenten entstehen. Die Wirkung von Beruhigungs- oder Schlafmitteln verzögert sich und konzentrieren sich im Körper. Dadurch nehmen Sturzgefahr, Müdigkeit und Gedächtnisstörungen zu. Mitunter werden diese Symptome als Beginn einer Demenz fehlinterpretiert. Prop hat deshalb im Jahr 2014 einen Schwerpunkt auf die Information und Schulung des Pflegepersonals für Senioren gelegt.

© SZ vom 27.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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