70 Jahre nach dem Krieg:Filmische Zeitreise durch Freising

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Auch in Freising versuchte die Kirche den Film "Die Sünderin"' mit Hildegard Knef zu stoppen. Der Ansturm auf das Bavaria Kino war gewaltig. (Foto: SZ Foto)

Regisseur Klaus Bichlmeier schildert in zehn fesselnden Sequenzen, wie die Bürger 1945 und die Jahre danach erlebten. Unter anderem wollte die Kirche die Vorführung von "Die Sünderin" mit Hildegard Knef in der Hauptrolle im Bavaria Kino verhindern.

Von Isabella Lössl, Freising

70 Jahre ist es nun her, dass der Zweite Weltkrieg sein Ende fand. Lokale Geschichten über Kriegserlebnisse oder Nachkriegs-Anekdoten gibt es viele, denn auch in Freising erlebten viele Menschen den Krieg. Klaus Bichlmeier, ein bekannter Regisseur aus München, hat es sich als Ur-Freisinger nun zur Aufgabe gemacht, in seinem Film "Zeitreise Freising" genau davon zu erzählen.

"Ich will meinen Zuschauern keinen langweiligen Geschichtsfilm vorsetzen. Es gibt genug Kriegsfilme, die auf melancholische Art und Weise darlegen, was der Krieg alles zerstört hat", sagt Bichlmeier. Sein Ziel dagegen sei es, das Publikum zwei Stunden lang mit kleinen Sequenzen zu fesseln und dafür zu sorgen, dass die Zeit wie im Flug vergeht. "Der Film ist in zehn Sequenzen eingeteilt, um möglichst viele Themenbereiche anzusprechen und behandelt den Krieg nur fünf Minuten lang".

Diese zehn Sequenzen sind äußerst vielfältig. So erfahren die Zuschauer zum Beispiel, wie Zeitzeugen den Krieg erlebt haben. Die Menschen seien laut Bichlmeier während ihrer Schilderungen regelrecht aufgeblüht. "Es haben sich sehr viele Zeitzeugen bei mir gemeldet, die einiges zu erzählen hatten. Man hat deutlich gemerkt, wie stark die Erinnerungen an die Zeiten noch sind und wie gern sie diese auch weitergeben möchten".

Die Nachkriegszeit kommt natürlich auch nicht zu kurz. Wie erlebten die Bürger die Ausgangssperre? Wie reagierten Freisinger, wenn ihnen zum ersten Mal ein Mann mit dunkler Hautfarbe begegnete? Was war los in der Stadt, als der berühmte Petticoat sich in Kleiderschränken wiederfand? Auch über die Freisinger Rock'n'Roll Zeit und den Schläger-Kare gibt es Sequenzen.

Die 60-er Jahre, die auch im Film behandelt werden, sorgen für eine besonders heitere Anekdote: "Das damalige Bavaria Kino zeigte in den 60-er Jahren den Film ,Sünderin' mit Hildegard Knef in der Hauptrolle. Die Schlangen gingen bis vor zum Asamgebäude. Der Pfarrer drohte damit, den Strom abzuschalten", berichtet Klaus Bichlmeier. Doch warum die Aufruhr? "Im Film war ganze zwei Sekunden lang die nackte Kehrseite von Hildegard Knef zu sehen, eine Sensation damals."

Interessant wird auch der Stadtrundgang, der zu sehen sein wird. Hierbei rücken Freisinger Lokalitäten in den Vordergrund, die Geschichte geschrieben haben, wie das alte Gasthaus "Zum Hirschen". "In diesem Lokal übernachtete damals Napoleon, und zwar einen Tag, bevor er das Königreich Bayern ausgerufen hat", erzählt Bichlmeier.

Der Film liegt Klaus Bichlmeier, der im Jahr 1947 geboren wurde, spürbar am Herzen, auch, wenn er selbst nur wenige Erinnerungen an die Nachkriegszeit hat. "Ich kann mich an eine Sache erinnern, die passierte, als ich fünf Jahre alt war. Die Amerikaner, die Freising besetzt hatten, warfen uns Kindern Kaugummis aus den Fenstern", schildert Bichlmeier. "Wir stritten uns darum, schließlich hatten wir so etwas Zuhause nicht. Das hat die Soldaten ziemlich amüsiert. Das gleiche haben sie mit Zigaretten gemacht, die Erwachsene aufgehoben und weiterverkauft haben, obwohl bereits an ihnen gezogen wurde."

Der Film ist laut Bichlmeier auch für Schulen sehr wichtig. "Das soll keine Heimatkunde für Erwachsene werden. Die Schüler sollen sehen, wie die Stadt, in der sie nun leben, sich entwickelt hat und wie die Schüler damals aufgewachsen sind."

Gelernt hat der Regisseur einen Beruf, der auf den ersten Blick so gar nichts mit dem Filmen zu tun hat: Flugzeugkonstrukteur. Seinen Einstieg in die Filmindustrie verdankt Bichlmeier einem Unfall, der für ihn beinahe tödlich endete. "1980 bin ich in Mexiko mit einem Leichtflugzeug abgestürzt. Auf 5300 Metern Höhe, dem höchsten Punkt im ganzen Land", berichtet der Regisseur. "Ich hatte Glück, dass ich noch einen Rettungsschirm lösen konnte. Nach diesem Absturz war für mich definitiv Schluss mit Flugzeugen und der Fliegerei."

Bahnbrechende Idee

Eine Sache aus seiner Fliegervergangenheit aber nahm er mit in sein neues Leben im Filmbereich. Die Kamerakräne, die vor seiner Zeit eine halbe Tonne wogen, baute er plötzlich mit leichten Flugzeugteilen aus Alu-Titan. Von einer halben Tonne sank das Gewicht des Krans auf ganze zehn Kilo. "Das war die Geburtsstunde meiner Filmkarriere, diese Kräne stehen seitdem bei jeder Fußball-Weltmeisterschaft hinter dem Tor", sagt er. Diese bahnbrechende Idee sprach sich schnell herum, wodurch Bichlmeier zu einigen Sendeanstalten eingeladen wurde und dann auch begann, selbst mit zuproduzieren. "Plötzlich", so Bichlmeier, "war es möglich, in der Wüste zu drehen, da der Transport des Krans kein Problem mehr war".

Seine Affinität für Filme zeigte sich bei Klaus Bichlmeier schon früh. "Auch, wenn ich beruflich erst spät diesen Weg eingeschlagen habe, die Leidenschaft dafür hat meine Mutter in mir entdeckt. In der ersten oder zweiten Klasse, so sagte meine Mutter, habe ich mir kein obligatorisches Spielzeugauto, sondern einen Fotoapparat zu Weihnachten gewünscht."

60 Jahre später kommen nun also die Freisinger in den Genuss, sich in einem Werk über ihre Stadt von Bichlmeiers Talent zu überzeugen. "Diesen Film kann sich die Oma mit ihrem Enkel gemeinsam anschauen, er ist für jede Generation spannend. Außerdem ist die DVD, die nach der Premiere erscheint, das ideale Weihnachtsgeschenk für die ganze Familie", sagt der Regisseur, der in Freising geboren wurde. Premiere feiert der Film "Zeitreise Freising" aber erst am 22. November, um 11 Uhr, im Freisinger Asamsaal. Der Eintritt kostet zehn Euro. Das Besondere: Klaus Bichlmeier wird selbst vor Ort sein, um nach jeder gezeigten Sequenz zwei bis drei Minuten zu sprechen. So erleben die Freisinger einen vom Autoren selbst erzählten Kinobesuch.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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