10000 Euro "Prozesskostenhilfe":Fragwürdige Unterstützung

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Der Beschluss des Kranzberger Gemeinderats, einen Musterkläger gegen die dritte Startbahn finanziell zu unterstützen, ist vermutlich nicht haltbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird in den nächsten Tagen erwartet.

Von Peter Becker, München/Kranzberg

Ein Urteil hat Vorsitzende Richterin Beck am Mittwochmorgen am Münchner Verwaltungsgericht noch nicht gefällt, eine Tendenz scheint allerdings durch: Sie hält den Beschluss des Kranzberger Gemeinderats, einem Kläger gegen die dritte Startbahn eine finanzielle Beteiligung an den Prozesskosten zuzusichern, für einen öffentlich-rechtlichen Akt. Und eine solche Subvention ist ihrer Ansicht nach mit einer "sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltung" nicht zu vereinbaren. Verwaltungsrichterin Beck hält das Zustandekommen des Beschlusses für fragwürdig. Alles in allem gibt sie damit der Regierung von Oberbayern Recht, welche die finanzielle Unterstützung des Kranzberger Bürgers durch die Gemeinde untersagt hat.

Robert Scholz, 2013 noch Bürgermeister von Kranzberg, beschrieb als Zeuge, wie der Beschluss zustande gekommen war. Der Gemeinderat ist der Ansicht, dass der Bau einer dritten Startbahn die Kommune in ihrer Planungshoheit beeinträchtigt. 1974 hatte die damalige Staatsregierung der Gemeinde versichert, dass die Lärmbelastung in ihrer Umgebung die 62-Dezibel-Grenze nicht überschreiten werde. Dieser Beschluss aber ist mittlerweile aufgehoben. Die Folge sei, so beschrieben es Scholz und der Rechtsanwalt der Kommune, Andreas Zöpfl, dass die Gemeinde beim Bau einer dritten Startbahn kein Baugebiet ausweisen könne, in dem zumutbares Wohnen möglich sei. Denn die Befürchtung geht dahin, dass die Lärmentwicklung bei einer Erweiterung des Flughafens erheblich zunehme.

Die Schutzgemeinschaft hatte der Gemeinde damals mitgeteilt, dass eine Klage ihrerseits wohl wenig Aussicht auf Erfolg haben werde, weil sie nicht unmittelbar vom Bau einer dritten Startbahn betroffen sei. Vor dem Verwaltungsgericht blieb unklar, ob Kranzberg überhaupt ein Klagerecht habe. Die Schutzgemeinschaft riet deshalb, stattdessen einen Musterkläger zu unterstützen. Dies war bereits 2011 im Gemeinderat erörtert worden. In der Person von Theo Dittmann fand sich jener Musterkläger, der speziell gegen die Aufhebung jener Lärmschutzzone um Kranzberg klagte. Im Mai 2013 sicherte der Gemeinderat Dittmann zu, sich an den Prozesskosten zu beteiligen: zu zwei Dritteln der Gesamtsumme, maximal aber bis zu einem Betrag von 10 000 Euro.

Kranzberg wird überflogen, aber nicht so tief, dass die Gemeinde gegen die dritte Startbahn klagen könnte. (Foto: Marco Einfeldt)

Rechtsanwalt Zöpfl betonte vor dem Verwaltungsgericht bezüglich der Prozesskostenhilfe: "Die Gemeinde hat ausdrücklich bei der Rechtsaufsichtsbehörde nachgefragt." Das Landratsamt stand ursprünglich auch auf der Seite der Gemeinde - bis das Veto der Regierung von Oberbayern die Behörde erreichte. Dann musste sie den Gemeinderatsbeschluss aufheben, wogegen Kranzberg klagte.

"Keiner will den Lärm haben", stellte Richterin Beck fest. Sie verwunderte sich darüber, dass die Gemeinde quasi den Kampf gegen die dritte Startbahn finanziell an zwei Fronten unterstützt: einmal über die Schutzgemeinschaft und das andere Mal über den Privatkläger. Dies ist ihr offenbar des Guten zu viel. "Die Gemeinde muss selbst klagen", machte sie klar. "Und wenn sie das nicht kann, dann muss sie das akzeptieren." Die Richterin sieht in der Unterstützung Dittmanns eine öffentlich-rechtliche Handlung, Rechtsanwalt Zöpfl dagegen ein zivilrechtliches Vorgehen zum Wohle der Gemeinde.

Richterin Beck beanstandet generell das Zustandekommen des Gemeinderatsbeschluss. Ihrer Meinung nach hätten schon im Vorfeld Vereinbarungen mit Dittmann getroffen werden müssen. Also bereits im Jahr 2011, als sich der Gemeinderat zum ersten Mal mit der Problematik befasst hatte. Warum dies erst zwei Jahre später und dann ohne feste vertragliche Vereinbarungen geschehen sei, könne sie nicht nachvollziehen. Die Gemeinde sei zwar Sachwalter ihrer Bürger. Doch die seien selbst in der Lage, ihre Grundrechte wahrzunehmen. "Dem Bürger stehen selbst genug Mittel zur Verfügung", sagte die Richterin. Die Gemeinde dürfe diese nicht bei sich bündeln. Sie könne ja versuchen, einen Teil der Prozesskosten über Spenden aufzubringen. Dazu müsse sie sich nicht auf schwieriges rechtliches Terrain begeben. Das Urteil können die Beteiligten in den nächsten Tagen beim Verwaltungsgericht abrufen.

© SZ vom 19.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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