Fragwürdige christliche Gruppierung:Endzeitstimmung in der Olympiahalle

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Olympiahalle (Foto: Florian Peljak)

Sie nennen sich "Watchmen of the Nations" und treffen sich vier Tage lang zum Beten in München. Nur zum Beten? Ein Sektenexperte schlägt Alarm.

Von Eva Casper

Es ist eine eher ungewöhnliche Veranstaltung, die vom Wochenende an in der Olympiahalle stattfindet. Eine christliche Gruppierung namens "Watchmen of the Nations" hat zum "Global Gathering" gerufen. Tausende Gläubige versammeln sich von Sonntag bis Mittwoch zum Beten - und "um unsere Herzen miteinander zu verbinden". So heißt es auf der Homepage zur Veranstaltung. Ein genaueres Programm gibt es offenbar nicht. Es passiere, was der "Heilige Geist betont". Was ist das für eine Vereinigung, die für vier Tage die größte Veranstaltungshalle der Stadt mietet?

Scheinbare Eingebungen des Herrn

Bisher ist nicht viel über die "Watchmen" bekannt. Der Ursprung der Bewegung liegt offenbar in Kanada, so steht es zumindest auf der Website der Vereinigung. Anführer ist demnach ein Arzt namens David Demian, der Ende der Achtzigerjahre von Ägypten nach Kanada auswandert sei. Unterstützt wird er offenbar von einem internationalen Team aus Gläubigen. Die genaue Organisationsstruktur ist aber unklar. Axel Seegers vom Fachbereich Weltanschauungsfragen der Erzdiözese München und Freising spricht von einer "evangelikalen Missionierungs- und Erweckungsbewegung, die von einer Endzeitstimmung geprägt ist". Die Anhänger erwarten die Rückkehr von Jesus Christus auf die Erde und lassen sich von scheinbaren Eingebungen des Herrn leiten.

Bereits im Juni hatte die Bewegung zu einem Treffen mit Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirchen in München geladen. Es sei ihnen darum gegangen, ihr eigenes Glaubensbild vorzustellen und auf ihre große Versammlung hinzuweisen, heißt es aus der evangelischen Landeskirche. An einer Zusammenarbeit mit hier ansässigen Kirchen waren die "Watchmen" jedoch nicht interessiert.

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Axel Seegers erläutert, die Bewegung trete stark missionierend auf und zeige fundamentalistische Züge. Es werde häufig davon gesprochen, dass ihre Überzeugung der einzig richtige Weg sei. Ein Dialog der Religionen werde nicht angestrebt. Seegers vermutet bei den "Watchmen" auch anti-islamische Tendenzen, die in der momentanen Situation in Deutschland und Europa auf fruchtbaren Boden fallen könnten, wie er befürchtet.

Deutschland scheint eine besondere Anziehungskraft auf die Bewegung auszuüben. Dadurch, dass sich das Ende des Zweiten Weltkrieges in diesem Jahr zum 70. Mal jährt, wiesen die Anhänger Deutschland eine besondere schicksalhafte Bedeutung zu, so Seegers. Die Bewegung selbst spricht für 2015 von einem "Jahr der Ausrichtung". Mitte des Jahres fand bereits ein großes Treffen in Hongkong statt. Wie viele Anhänger jetzt nach München kommen, ist unklar. Es ist die Rede von 3000 Chinesen und 1000 Japaner. Die Teilnahmegebühr für die vier Tage beträgt 70 Dollar.

Hinweise auf anti-islamische Absichten

Auf der Homepage des Olympiaparks ist das "Gathering" nicht angekündigt. Ist das Absicht? Nein, sagt ein Sprecher der Betreibergesellschaft. Die Veranstalter habe nicht die nötigen Informationen über das Treffen geschickt. Daher sei ein Veranstaltungshinweis nicht möglich gewesen. An Geldmangel scheinen die Watchmen nicht zu leiden. Die Miete der Olympiahalle kostet pro Tag knapp 20 000 Euro, Security und Verpflegung nicht mitgerechnet.

Als Mitveranstalter des "Gathering" gilt neben David Demian ein im Großraum München ansässiger Architekt, sagt Sektenexperte Seegers. Auch bei dem aus Syrien stammenden Mann gibt es Hinweise auf anti-islamische Ansichten. Auf Facebook bewertet er Texte positiv, die den Islam als gewalttätig einstufen und ein friedliches Zusammenleben mit Muslimen in Frage stellen. Für eine Stellungnahme war er am Freitag nicht zu erreichen. Ein Mitarbeiter seiner Firma erklärte, der Chef sei nicht zu sprechen.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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