Fotografin für Geschiedene:Ein letztes Mal ganz in Weiß

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Trennung als Marktlücke: Bei der Fotografin Carmen Palma dürfen sich Ex-Bräute noch einmal in Schale werfen und ihren Scheidungsfrust ablassen. Ob das Kleid das Fotoshooting überlebt, entscheiden die Frauen selbst.

Antje Jörg

Das Liebes-Aus als Geschäftsidee: Carmen Palma entdeckte die Scheidungsfotografie für sich. (Foto: Robert Haas)

Augen voller Schmerz - vielleicht noch mit einem Schimmer Unverständnis, sonst sanft und braun spiegeln sie jetzt ihre Gefühle, ohne jegliche Art von Weichzeichner. Die Wimperntusche ist verschmiert, der verweinte Blick so direkt, dass die Gefühle den Betrachter fast attackieren. Und das von einer Braut in Weiß. Aus diesem Foto schreit: "Warum hast Du mir das angetan, du Mistkerl." Trennung, Verlust, vielleicht auch Betrug - alles naheliegend. Schamlos, wer so etwas fotografiert? Nein. Die Szene ist natürlich und inszeniert zugleich. Schließlich entstand das Foto bei einem Shooting mit der Scheidungsfotografin Carmen Palma.

Scheidungsfotografie? Klingt ungewohnt, ist aber eine Marktlücke. Und keine kleine - immerhin stiegen laut Statistik im vergangenen Jahr die Zahl der Scheidungen in Deutschland. Mittlerweile lassen sich elf von 1000 Paaren scheiden. Das sind fast 188 000 Ehen. Braucht es aber wirklich Fotos von Geschiedenen? Ja. Sagt die Scheidungsfotografin. Denn die Bilder polieren das angekratzte Selbstwertgefühl auf. Helfen aber auch, unschöne Gefühle zu verarbeiten.

"Ich bin neben People- auch Scheidungsfotografin", stellt sich die 40-Jährige in der Öffentlichkeit vor. Nichts Verbittertes strahlt sie dabei aus. Im Gegenteil: Lebensfreude, Kraft und viel Liebe. Augenscheinlich ein Widerspruch zu den vorherrschenden Gefühlen frisch Geschiedener. Aber eben nur augenscheinlich.

"Für uns zählt nicht nur der Mann, sondern auch das Kleid"

Das Thema Scheidung kennt sie selbst gut. Als Teenager erlebte sie die unschöne Trennung der Eltern. Doch auch ihre eigene Ehe hielt nicht. Zu jung verliebte sie sich, entwickelte sich weiter - und das Paar auseinander: Die Scheidung verlief zum Glück nahezu harmonisch. Zehn Jahre später - das war vor einem halben Jahr - machte Palma sich als Fotografin selbständig.

Auf der Suche nach einem Alleinstellungsmerkmal stieß sie auf das Thema. "Für uns Mädels zählt am wichtigsten Tag im Leben nicht nur der Mann, sondern auch das Kleid. Leider verbannen wir es mit dem Ex. Streichen es aus dem Kopf. Aber warum? Ich selbst bin traurig, denn ich weiß nicht, wo mein Kleid geblieben ist. Sehe ich es auf Bildern, denke ich mir: Gerne hätte ich mehr von ihm gehabt." Aus dieser Sehnsucht heraus kam Palmas Entschluss zur Scheidungsfotografie.

Ein Entschluss, der polarisiert. "Geschockt sind meist die Jungen - so bis 25. Klar. Träumen sie doch noch von der goldenen oder gar von der diamantenen Hochzeit. Bei Älteren sieht es aber anders aus", sagt die Fotografin. Da seien meist ein bis drei Trennungen überstanden. Geschieden und mit Kindern, viele leben im Patchworkmodell. "Genau die begrüßen meine Idee als längst überfällig", sagt Palma.

Motive entdeckt und kommuniziert, zum Beispiel auf den Ladies-Nights der Fotografin, ließen erste Shootings nicht lange auf sich warten. Insgesamt sechs Mal trauten sich schon frisch oder längere Geschiedene noch einmal für ein Scheidungsfoto in ihr Kleid zu schlüpfen.

Ob das Kleid überlebt, entscheidet die Braut

So vielfältig der richtige Zeitpunkt, so unterschiedlich sind auch die Beweggründe. Rache, Wut, verletzte Gefühle zählen zu den offensichtlichsten Gründen. Bei solchen Shootings gibt es dann auch jede Menge Emotionen zu erleben. Anleiten muss die Fotografin selten. Die Frauen wissen, was sie wie wollen.

Ein verbindendes Element zur gescheiterten Beziehung gibt es meist, wie zum Beispiel die übergroße Liebe des Ex-Mannes zum Auto oder das heiß geliebte Instrument des Gitarristen. Bleibt nur noch: Rein ins Kleid, ab zur jeweiligen Location und dem Empfinden freien Lauf lassen. Ob das Kleid den Gefühlsausbruch überlebt, entscheidet die Braut.

Allen Shootings gleich ist: Die Frauen durchleben ihre Gefühle noch einmal. Anfangs fällt das schwer. Von Bild zu Bild hilft es aber zu verarbeiten, loszulassen und wieder zu sich selbst zu finden. Nicht selten lachen am Ende die Ex-Bräute sogar. Das teuerste Outfit im Leben ist zwar ruiniert, aber im Fotobuch oder gerahmt immer noch schön anzuschauen. Manche Bilder stehen im Schlafzimmer oder hängen an der Wand. Aber auch auf der Toilette. Andere wiederum liegen im Schrank. Es reicht nämlich hin und wieder auch nur zu wissen, dass es die Fotos gibt. So wie bei der Ex-Braut mit den von Wimperntusche verschmierten Augen.

In einer früheren Version dieses Artikels hieß es fälschlicherweise, die S cheidungsfotografin Carmen Palma sei die einzige Fotografin in Deutschland, die sich traue, diesen Service aktiv anzubieten. Dies ist nicht der Fall. Wir haben daher die entsprechende Passage entfernt.

© SZ vom 08.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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