Flughafen-Seelsorge:"Da gibt es keinen Trost"

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Nach dem Absturz der Air-France-Maschine warteten auch am Münchner Flughafen Menschen vergeblich auf Angehörige. Flughafen-Seelsorgerin Gabriele Pace über Feingefühl und Ohnmacht.

Marie Schmidt

Nach dem Absturz einer Air-France-Maschine über dem Atlantik warteten am Montag auch am Münchner Flughafen Menschen vergeblich auf Angehörige und Freunde. Neun Passagiere der Maschine sollen einen Anschlussflug von Paris nach München gebucht haben. Die SZ sprach mit der evangelischen Flughafenseelsorgerin Gabriele Pace über die Arbeit des Notfallteams, das Betroffene von Katastrophen am Münchner Flughafen betreut.

"Das ist eine Sache des Feingefühls": Seelsorgerin Gabriele Pace betreut schockierte Angehörige. (Foto: Foto: Einfeldt)

Süddeutsche Zeitung: Wie spricht man Menschen an, die gerade erfahren haben, dass sie ihre Angehörigen nie wieder sehen werden?

Gabriele Pace: Erst muss man sich in die Situation einfinden. Es sind ja nicht nur wir dort, sondern auch die Polizei oder das Flughafenpersonal. Die Leute müssen Formalien erledigen, ihre Personalien angeben. Da kommt es vor, dass ihnen plötzlich ihre Telefonnummer nicht mehr einfällt, weil sie in einer extremen Ausnahmesituation sind.

SZ: Und Sie bieten ihnen dann Unterstützung an?

Pace: Wir versuchen herauszufinden, ob sie überhaupt Hilfe wollen. Das ist eine Sache des Feingefühls. Oft reicht man nur ein Taschentuch und sucht nach einem Anknüpfungspunkt für ein Gespräch.

SZ: Worüber reden Sie dann?

Pace: Wir versuchen den Menschen zu helfen, erste kleine Schritte nach vorne zu tun. Damit sie zum Beispiel selber andere Angehörige anrufen und benachrichtigen und nicht wir das für sie machen. Wir wollen, dass sie wieder handeln können.

SZ: Können Sie in solchen Momenten Trost spenden?

Pace: Ich glaube, in so einer Situation gibt es keinen Trost. Die Menschen sind unter Schock, fühlen ihre ganze Ohnmacht und können nicht begreifen, was passiert ist. Sie sind erschüttert und sprachlos.

SZ: Wer arbeitet in Ihrem Team und wie sind die Leute für solche Fälle ausgebildet?

Pace: Die Flughafenseelsorge ist eine ökumenische Einrichtung, sie besteht aus mir und einem katholischen Pfarrer. Außerdem arbeiten drei Sozialpädagogen mit. Im Alltag machen wir Gottesdienste am Flughafen und Betriebsseelsorge. Bei Notfällen haben wir zusätzliche Helfer. Das sind unter anderem Krankenhausseelsorger, Diakone, Religionspädagogen. Wir bringen durch unsere Berufe Wissen mit, das wir in dieser Situation brauchen. Und es gibt besondere Schulungen.

SZ: Was müssen Sie können?

Pace: Krisenseelsorge ist anders als eine Betreuung über einen längeren Zeitraum. Man braucht andere Gesprächstechniken.

SZ: Was geben Sie den Menschen mit, wenn Ihre Aufgabe am Flughafen vorbei ist?

Pace: Wir geben ihnen Adressen, an die sie sich wenden können. Natürlich auch unsere Telefonnummer. Aber eigentlich beschränkt sich unsere Tätigkeit auf die Zeit am Flughafen.

SZ: Wie geht es Ihnen selbst nach einem solchen Tag?

Pace: Ich sage mir: Dafür bin ich ja da. Ich liebe meinen Beruf. Natürlich bin ich sehr müde. Aber ich denke, es ist gut, dass wir da waren in einer schwierigen Situation zusammen etwas erreichen konnten.

© SZ vom 03.06.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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