Flirtlokale:Desperados, Stenzen, Häppchenjäger

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Orte mit Reizklima: Lokale, in denen man gut flirten kann - ein Ratgeber für unterschiedliche Flirt-Typen.

Christian Mayer

Es gibt Hunderte von Fachbüchern darüber und noch mehr selbst ernannte Experten, doch kein Mensch weiß, wie die Sache wirklich funktioniert. Gäbe es sonst so viele Kontaktmagazine, in denen sich die Paarungswilligen anpreisen wie Gebrauchtwagen?

Aus der Bank auf die Balz: Die After-Business-Party im Lenbach bringt Menschen in Krawatte und Kostüm zusammen. (Foto: Brenninger)

Flirten ist eine komplizierte Angelegenheit - oder die einfachste auf der Welt.

Laut Duden bedeutet das aus dem prüden Britannien stammende Wort: "1.Bekundung von Zuneigung durch das Verhalten, durch Blicke u. Worte in scherzender, verspielter Form. 2. unverbindliches Liebesabenteuer."

Aha. Klingt simpel. Warum aber müssen jede Nacht Scharen frustrierter Nachtschwärmer allein nach Haus? Ohne Telefonnummer auf der Zigarettenschachtel. Was läuft schief? Ganz einfach: Sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort. Wir stellen einige Lokale vor, in denen sich, je nach Zielgruppe, dieses wohlige Gefühl einstellt, das fürs Flirten wichtig ist.

Das Arbeitstier

Wo flirten Fonds-Manager, Anwälte oder Werbetexter, die morgens um sechs aus den Federn müssen? Auf der After-Business-Party im Lenbach in der Ottostraße.

Mittwochs, 19.30 Uhr: Vor der Tür bildet sich eine Schlange, Bürohengste lockern die Krawattenknoten. Die Tanzfläche füllt sich um kurz vor acht. Dax und die Dividende können uns gestohlen bleiben! Hier menschelt's, und wenn nicht, hilft Wodka Orange.

Schnell findet sich ein Grund, die hellblonde Verkaufsleiterin im schwarzen Kostüm anzusprechen: "Tschuldige, bin dir aufn Fuß gestiegen." Von der Galerie aus hat man den besten Überblick. Heiß und stickig ist es; das Warsteiner-Bier - zu vier Euro das Glas - fließt, Prosecco-Flaschen stehen herum.

Organisator Nenad Kovacevic ist begeistert von dem Konzept, Workaholics nach Büroschluss zu verkuppeln. "Im Schnitt kommen tausend Leute", behauptet er. Gegen Mitternacht liegen die Arbeitstiere wieder in der Falle, die Handy-Nummern der Zufallsbekanntschaften sind abgespeichert. Morgen ist ja wieder ein 13-Stunden-Tag.

Der Desperado

Samstagabend, 23.30 Uhr, Colosseum im Kunstpark. Hier feiern mehrere Hundertschaften durch Alkoholzufuhr angefeuerte Menschen in Flanellhemden, im Jeans-Outfit oder im Zweireiher. Dies ist "Deutschlands große Flirtparty", ein Wanderzirkus, der durch die Republik der Einsamen tingelt.

Über Lautsprecher scheppert der Durchhalteschlager "I will survive". Gleich wird Markus, ein 25-jähriger Physikstudent, seine "Bagger- und Liebespost" aufgeben. Auf seinem T-Shirt steht "Desperados". Der Name der Biermarke ist Programm.

Desperado Markus tut, was er tun muss, um ans Ziel zu kommen: Er füllt eines der Balz-Formulare aus; ankreuzen genügt. Als Anreden stehen zur Wahl: "Hallo heiße Biene / dufte Hummel / Knackarsch". Weiter im Text: "In der Liebe bin ich gerne klassisch / gern oben / heiß wie die Wüste Gobi".

Das taugt auch für Physikstudenten. Markus' Antworten werden unter der Nummer 543 im Computer gespeichert, und er kriegt einen "543"-Aufkleber, den er aufs T-Shirt pappt. Wenn eine Frau sich für den Desperado interessiert, kann sie sein Balz-Formular abfragen - und ihn ansprechen, wenn er ihr passt.

Gegen halb drei Uhr morgens steht ein Dutzend Paare knutschend in der Ecke: gierig und glücklich. Auch Monika, 23, hat es geschafft. Ihr Cocktailkleid hängt etwas schief, dafür hängt ein etwa 40-jähriger Desperado mit Holzfällerhemd und schütterem Haar an ihren Lippen. Markus ist verschwunden. Erfolgreich?

Der Häppchenjäger

Wie öde ist es doch, alleine im Restaurant zu essen. Ein Glück, dass es Wirte wie Momo von der Tapas Bar in der Amalienstraße gibt. Momo sorgt dafür, dass Amigos und Amigas sofort Tuchfühlung aufnehmen. "Das Prinzip funktioniert seit neun Jahren; jeden Abend ist der Laden voll."

Die hohen Tische sind für eine einzige Gruppe meist zu groß, deshalb werden die Gäste gemischt. Die Häppchen, auf Untertellern serviert, verzehrt man im Kollektiv. Wichtig ist, dass sich die Gäste über einen Queso Manchego, eine Pimientada oder Alcachofas näher kommen: "Wie heißt das, was du gerade isst?"

Ähnlich funktioniert der Häppchen-Flirt im Sushi & Soul in der Klenzestraße 71. An einem acht Meter langen Holztisch speisen die Gäste wie im Refektorium eines Klosters - und können sich die Reisröllchen mit den Stäbchen gegenseitig in den Mund stecken.

Der Schöngeist

Schöngeister flirten anders. Kunstverständige oder Büchernarren sind oft ein wenig scheu. Sie brauchen keine Bars mit lauter Musik, in denen man sich per Körpersprache verständigt. Schöngeister sollten sich an einem sonnigen Nachmittag auf den Jakobsplatz ins Stadtcafé setzen und so tun, als läsen sie Zeitung.

Das Anbandeln mit der Nachbarin, die ebenfalls in ihrer Lektüre blättert, fällt selbst dem Schüchternen nicht schwer: "Würden Sie mir das Feuilleton reichen?"

Bloß jetzt nicht zu lesen anfangen, Gespräch forcieren! Wie wäre es mit der Feststellung, dass zwei Kellner für 80 Gäste überfordert sind? Nächste Frage, geht immer: "Ist das nicht der Nida-Rümelin mit seiner Orangenprinzessin?" Oh ja, die dunklen Locken, schlanke Figur, Lederjacke: Das isser - wenn nicht, ist's auch egal.

Wenn der Herr Kulturminister in München weilt, schaut er mit seiner Natalie im Stadtcafé vorbei. Zwei Schöngeister, die sich gefunden haben.

Der Teenie-Schwarm

Teenies folgen dem Herdentrieb, besonders beim Paarungsverhalten. Schwärme von Teenagern zieht es am Wochenende in den Kunstpark, wo sie Hektoliter "Wodka Red Bull" konsumieren. Weil der Teenie-Schwarm für neue Reize empfänglich ist, wechseln die Szene-Treffs monatlich.

Momentan gilt die Erste Liga in der Hochbrückenstraße als bevorzugte Kampfzone. Ein Geheimtipp: das Nippler in der Kurfürstenstraße, das sich mit seinen cremefarbigen Sitzen und lindgrünen Wänden als Flirtlokal etabliert hat. Okay, nicht alle "Teenies" sind auch unter 20, trotz blauer Sonnenbrillen oder Sportschuhen für 220 Euro.

Der moderne Stenz

Der echte Stenz ist dreist genug, um überall eine Frau anzusprechen - es reicht ein winziger Blick. In der S-Bahn, im Paläontologischen Museum, am Weinregal im Supermarkt. Casanova sagt: "Es kommt nur darauf an, Mut zu haben."

Der Monaco Franze war so einer, und er hatte so viel Stil, dass er am Ende seines Fernsehlebens all seinen Flirtbekanntschaften eine Seife schenkte.

Und heute? Treibt sich der Stenz im K 41 im Kunstpark herum. Vielleicht der Ort mit dem höchsten Flirt-Faktor der Stadt.

Kitschgemälde mit Nackten, Discokugeln, frei gelegte Heizungsrohre. Der DJ verzichtet auf Techno-Terror und kommt gleich zur Sache: "It's raining man" wummert es aus hohen Boxen. Gut möglich, dass einen die Steuerberaterin am Tresen, die ihren Namen partout nicht nennen will, mit der Frage konfrontiert, wann man das letzte Mal Sex . . . ähhh . . . Na gut, meist es eher so, dass die weiblichen Gäste von einem Vorstadt-Charmeur mit Blicken durchbohrt werden.

Oder beim Tanzen eine Hand am Rücken spüren. Der Monaco Franze hätte das eleganter gemacht. Aber so traurig-schöne Augen hat ja nicht jeder.

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