Filmball 2011: Gastgeber Kuchenreuther:"Das ist ein undisziplinierter Haufen"

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Der übliche Wahnsinn: Beim Deutschen Filmball wird dieses Jahr einiges anders sein als sonst. Gastgeber Steffen Kuchenreuther wird von Tag zu Tag nervöser.

Philipp Crone

Wenn am Samstag die Gäste über den roten Teppich am Promenadeplatz zum Filmball im Bayerischen Hof schreiten, wird manches anders sein als sonst. Zum Beispiel der Teppich. "Es ist der längste und breiteste, den wir jemals bei einem Filmball ausgerollt haben", sagt Steffen Kuchenreuther.

Deutscher Filmball, 2009 Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer mit Soo Leng Kuchenreuther sowie Filmproduzent Steffen Kuchenreuther mit Karin Seehofer beim Walzer auf dem 36. Deutschen Filmball im Hotel Bayerischer Hof in München. (Foto: Stephan Rumpf)

Der 63- jährige Kaufmann ist Kinobetreiber in München und seit 13 Jahren Chef der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft (Spio) - und damit auch Gastgeber des Filmballs. Für ihn sind die Wochen vor dem Ball ganz so wie immer, sagt er. "Das bedeutet: Ich werde von Tag zu Tag nervöser." Denn er muss ständig etwas sagen, ständig etwas entscheiden.

Es herrscht der übliche Wahnsinn, wenn zum Jahresbeginn die Filmbranche zusammenkommt, um sich zu feiern und für die Medien zu inszenieren - da kann der Teppich nicht groß genug sein. Und in diesem Jahr könnte es spannend werden im großen Saal des Bayerischen Hofs, denn 2010 war ein schlechtes Jahr für den deutschen Film.

"Aber wir halten den Kopf hoch." Meist wird in solchen Situationen ohnehin noch ausgelassener gefeiert als sonst. Doch bis zur Party am Samstagabend stehen Kuchenreuther sicher noch anstrengende Stunden bevor. Zum Beispiel wegen des Sitzplans an den etwa 60 Tischen.

"150 Gäste müssen wir genau platzieren", sagt Kuchenreuther. "Und da gibt es ja mathematisch ungefähr 600.000 Möglichkeiten." Dabei ist zu beachten, dass manche explizit nicht neben bestimmten anderen sitzen wollen. "Bei Veronica Ferres hat es drei Wochen gedauert, bis wir einen passenden Platz hatten." Jeder wolle schon lange vor der Feier wissen, mit wem er an einem Tisch sitzen wird.

Bis zum Samstag muss alles genau geplant werden, am Abend selbst dann nicht mehr, so ist es Brauch beim Filmball. "Das Besondere bei unserem Ball ist ja, dass es da keine Disziplin gibt", sagt Kuchenreuther. "Das ist ein Haufen, und alle wollen sich selbst inszenieren." Ob mit den Fotografen am roten Teppich oder im Saal. Ob mit Politikern, mit Kollegen.

Sobald die Gäste ihre Plätze eingenommen haben und die Fotografen in den Saal gelassen werden, entbrennt Jahr für Jahr ein irres Schauspiel: Die Filmschaffenden, festlich gekleidet in Smoking oder Abendkleid, versuchen auf verschiedenste Arten, auf sich aufmerksam zu machen. Durch wildes Champagnerkübelschwenken am Tisch, Arm in Arm mit Kollegen, beim Tanz, beim Ratsch.

Man fällt sich in die Arme, küsst sich. Körperkontakt ist ohnehin unvermeidbar in der Enge des Saals. "Ein Oberbürgermeister hat einmal in höchster Bedrängnis mit seinem Ellenbogen nach hinten ausgeschlagen", sagt Kuchenreuther, "und dabei den tanzenden Wolf-Dieter Ring getroffen (Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, Anm. d. Red.). Vor Entsetzen, wen er da getroffen hat, ist ihm das Gesicht runtergefallen."

Fast alles ist beim Filmball erlaubt, so lange man dadurch auffällt. Erst wenn die Presse den Saal nach zwei Stunden wieder verlässt, kehrt etwas Ruhe ein. "Wir hatten vor Jahren einmal eine Moderatorin für den Abend, und als dann nach kürzester Zeit wieder das übliche Chaos ausgebrochen ist, rief sie irgendwann nur noch verzweifelt in ihr Mikrofon: ,Jetzt seid's doch endlich ruhig!'"

Zur 38. Auflage des Balles gibt es neben dem Riesenteppich noch eine zweite Neuheit: Zum ersten Mal sind auch Preisträger geladen. Die "New Faces Awards" gehen an den Schauspieler- und Regienachwuchs. "Damit ist das am Samstag auch eine Art Debütantenball", sagt Kuchenreuther. "So können wir Talente mit Etablierten zusammenbringen." Finanziert wird der Award von Sponsoren. "Manche aus dem Nachwuchs können es sich oft gar nicht leisten, zum Ball zu kommen."

Die Neuen werden lernen, wie die Branche mit einem schlechten Jahr umgeht. 2010 wurden nur 13 Millionen Kinokarten für deutsche Produktionen verkauft, 2009 waren es 40 Millionen. "Wir hatten ein schlechtes Jahr", sagt Kuchenreuther, "es war Fußball-WM und zwei Monate lang Superwetter, zudem gab es keinen Bully-Film. Aber wenn es uns schlecht geht, dann machen wir es nicht so wie der Ministerpräsident, der einfach den Neujahrsempfang absagt."

Und die Branche sei Höhen und Tiefen ja gewohnt. "Das kennt ja jeder von den Filmproduktionen. Da sagt dir an einem Tag der eine, was das für ein Flop werden wird, am nächsten schwärmt ein anderer in den höchsten Tönen." Die Devise für das anstehende Jahr ist einfach: Es kann nur besser werden.

Die Hoffnungen für 2011 liegen laut Kuchenreuther unter anderem auf der 3D-Technik. "Die 3D-Produktion ,Drei Musketiere' wurde zum Großteil in Bayern gedreht, das stärkt den Standort, die Wickie-Fortsetzung wird der erste deutschsprachige Real-3D-Film sein und viele Kinobetreiber rüsten ihre Säle für 3D auf."

Am Samstag gegen Mitternacht, wenn sich die Gäste zu Hunderten aufmachen in den Keller, um die traditionell dort kredenzten Weißwürste zu verspeisen, wird Kuchenreuther das Schlimmste hinter sich haben. Es ist der 14. Ball, den er eröffnet, einer kommt auf jeden Fall noch dazu, 2012. Dann ist seine Amtszeit bei der Spio vorbei. Bis dahin muss er sich damit begnügen, Weißwürste immer erst am Sonntagnachmittag nach dem Ball zu bekommen. "Am Abend selbst habe ich in dem Trubel keine Zeit dafür."

© SZ vom 12.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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