Mit einem Fahrrad kann man so allerhand anstellen. Die Münchner Künstlergruppe "Foolpool" zum Beispiel hat Rädern tatsächlich das Laufen beigebracht. Drei ihrer grotesken Konstruktionen aus Rahmen, Lenkern, Pedalen und Zahnrädern staksen am Samstagabend scheppernd und mit leuchtenden Radlampenaugen über den Hof des Kreativquartiers am Leonrodplatz. Oder um die Ecke: Dort überschlägt sich ein Radsportler doch tatsächlich mehrfach in einem gelben Radl-Looping, dessen gewagte Konstruktion es nur zwei Mal in Europa geben soll. Drüben, neben dem Studentenprojekt "Social Ride", in dem gemeinsam mit Geflüchteten gespendete Räder wieder repariert werden, versuchen sich ein paar Mutige auf Einrädern. Und im Schatten eines Vordachs steht Basti Gutmann neben seinem Unikat und grinst. Der 25-jährige Münchner macht sich gerade auf zu einer zweijährigen Weltreise mit seinem selbst aus Bambus und Karbon gebauten Fahrrad. 40 075 Kilometer will der gebürtige Schwarzwälder mit seinem Rad zurücklegen und dabei auch noch für die Organisation "Plant for the Planet" werben. Wenn alles gut läuft auf seiner Weltreise, sollen danach dank seiner Mission 40 075 Bäume gepflanzt sein. Am Sonntagmittag startete der "Bamboo Basti", wie er sich auf seiner gleichnamigen Homepage nennt, vom Radkulturfestival im Kreativquartier in Richtung Salzburg.
Basti Gutmann war vielleicht die Hauptattraktion des zweiten "Radlkults", das die Organisatoren der "Radlhauptstadt" und des Kreisverwaltungsreferats just am vergangenen Wochenende organisierten - pünktlich zum 200. Jubiläum der Erfindung des Fahrrads. Oder besser gesagt der Draisine, wie das Laufrad des Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn seinerzeit hieß. Die Jungfernfahrt fand am 12. Juni 1817 in Mannheim statt, was die Münchner natürlich in ihrem Anspruch, irgendwann mal eine Radlhauptstadt zu sein, etwas zurückwirft. Aber auch so präsentierten sich im Kreativquartier einige Vereine und Verbände mit ihren Projekten und Patenten. Da waren etwa die "Tandemerer", ein Zusammenschluss von Sehbehinderten, die dank ehrenamtlicher "Piloten" mindestens einmal im Monat gemeinsam Radtouren auf Tandems unternehmen. Oder die Sportler des Vereins Bikepolo München, die normalerweise in der Nähe der Floßlände ihr Revier haben, aber am Wochenende in Neuhausen für ihre anspruchsvolle Sportart warben. Eine Waschanlage reinigte mitgebrachte Räder des kleinen Festivals, Fahrradexperten der "Bikekitchen" halfen bei kleineren Reparaturen und am Samstagabend wurden die zwölf Finalisten der Aktion "We love Radl" präsentiert, die in Kurzvideos ihre Liebe zum Radfahren dokumentierten.
Am Sonntagnachmittag startete der Fahrradclub ADFC mit etwa 350 Radlern zu einer großen Radlparade 15 Kilometer weit von der Grillparzerstraße in Haidhausen über den Altstadtring, Ludwig- und Leopoldstraße bis zum Kreativquartier am Leonrodplatz. Von all dem Trubel bekam Basti Gutmann nichts mehr mit. Er stieg bereits am Mittag auf sein mintgrünes, mit vier Satteltaschen bepacktes Tourenrad, und radelte los zu seiner Tour um die Welt. "Ich habe alles verkauft, was ich hatte", sagt der 25-Jährige, der sogar seine kleine Firma für die Gran Tour aufgegeben hat. Durch 24 Länder soll ihn seine Reise führen, persönlich will er zumindest in jedem Land einen Baum pflanzen, die restlichen 40 051 Bäume hofft er durch Unterstützer seiner Tour zu bekommen. Radfahren verbindet schließlich.