Feierstunde:Engagement, das anstecken soll

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Dirndl statt Skianzug: Ministerpräsident Horst Seehofer verlieh den Bayerischen Verdienstorden an die frühere Skiläuferin Miriam Vogt. (Foto: Alexander Heinl/dpa)

Politik als Jungbrunnen: Ministerpräsident Horst Seehofer ehrt 49 Menschen mit dem Bayerischen Verdienstorden

Von Wolfgang Wittl, München

Darf man das? Darf man an diesem festlichen Ort, im Antiquarium der Münchner Residenz, zu diesem feierlichen Anlass, der Verleihung des Bayerischen Verdienstordens, einfach zu singen beginnen? Man darf nicht nur, man soll sogar. Zunächst ist es nur Ministerpräsident Horst Seehofer, der das Bläserquintett des Leopold-Mozart-Zentrums der Universität Augsburg bei der Bayernhymne mit seinem Gesang begleitet. Ob die Gäste Mitleid mit ihm haben oder ob sie es aus musikalischen Gründen für nötig halten, dem Ministerpräsidenten beizustehen, sei dahin gestellt. Spätestens beim Refrain machen jedenfalls fast alle mit. Diese Stimmen hat Seehofer also schon mal.

Doch um Politik soll es am Mittwoch ausnahmsweise überhaupt nicht gehen. Genau 1637 Träger des Verdienstordens gibt es derzeit im Freistaat, ihre Zahl ist auf 2000 begrenzt. Sie kommen aus allen Lebensbereichen: aus Wirtschaft und Wissenschaft, aus Kirchen und Kunst, aus Politik und Sport - oder einfach aus dem richtigen Leben, wie Fumie Grundstein aus dem oberpfälzischen Bernhardswald. Die frühere Dolmetscherin pflegt seit Jahrzehnten ihre "schwerst körperlich und geistig behinderte Tochter unter besonderer Aufopferung und Hintanstellen ihrer eigenen Bedürfnisse", wie die Staatskanzlei in ihrer Laudatio mitteilt. Mit großem Verantwortungsbewusstsein, unerschütterlicher Liebe und Aufopferung ermögliche Fumie Grundstein ihrer Tochter ein Leben in vertrauter Umgebung. Das sind die Beispiele, die Seehofer meint, wenn er sagt: "Ich hoffe, dass Sie mit Ihrer Tatkraft, Energie und Liebe zu Bayern andere anstecken."

Zu den bekanntesten der 49 neuen Ordensträger gehören der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, die Sopranistin Diana Damrau, die Ärztin und frühere Schauspielerin Marianne Koch sowie die ehemalige Skirennläuferin und heutige Funktionärin Miriam Vogt. Bedford-Strohm sprach wohl im Namen vieler, als er sagte: Die Auszeichnung gelte auch den Menschen, "die ich vertrete". Auch Politiker erhalten den Orden: Landtagsvizepräsidentin Ulrike Gote von den Grünen, SPD-Mann Stefan Schuster sowie von der CSU der Haushaltsausschussvorsitzende Peter Winter und Ernst Weidenbusch für seine Arbeit bei der Sanierung der Landesbank.

Mehr als die Hälfte der Geehrten sind Frauen, und eine Frau hält auch den Festvortrag. Professorin Marion Kiechle, Direktorin im Klinikum rechts der Isar, sprach über den Jungbrunnen von Lucas Cranach aus Sicht der medizinischen Forschung. Sie berichtete, es werde eines Tages wohl gelingen, kranke Organe durch junges Gewebe zu ersetzen - gezüchtet aus eigenen Körperzellen. Da wurde selbst der Ministerpräsident hellhörig. Eingeleitet hatte Seehofer den Vortrag noch mit den Worten, Politik sei ein echter Jungbrunnen für ihn. Danach riet er den Ehrengästen: "Ich würde Ihnen empfehlen, sich bald einen Termin bei Professorin Kiechle geben zu lassen." Er, Seehofer, werde darauf zurückgreifen - bedeutet es doch wieder ein Stück Hoffnung mehr auf ein langes (politisches) Leben.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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