Feierstunde:100 000 Fotos bis zur Rente

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Norbert Böer ist in Laim aufgewachsen und fing als Vermessungstechniker an, wechselte später ins Planungsreferat, "das Zukunftsreferat", wie er sagt. (Foto: Robert Haas)

50 Jahre arbeitete Norbert Böer für die Stadt München

Von Martina Scherf, München

Sein Lieblingsplatz war das Fenster im Treppenhaus des 11. Stocks. Dort verbrachte er manche Mittagspause, erzählt Norbert Böer, denn man sah vom Hochhaus in der Blumenstraße die Stadt wachsen: den Olympiaturm, die Hochhäuser, die immer größeren Bürokomplexe entlang des Altstadtrings. Auch später noch, als er längst nicht mehr im Vermessungsamt arbeitete, kam er gerne in den alten Backsteinbau, "der heute ja nur noch ein Zwerg im Stadtbild ist". Jetzt ist Norbert Böer im Ruhestand, nach 50 Jahren im Dienst der Stadtverwaltung. Und wie sich sein München entwickelt, das beobachtet er noch immer mit Neugier und einem fotografischen Auge.

Als "außergewöhnlich" würdigte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Lebensleistung Böers bei der Feierstunde im Alten Rathaus. 1965 hatte diese Karriere begonnen, im Jahr, als der Spatenstich zur Münchner U-Bahn erfolgt war. Mit 14 Jahren fing Böer eine Lehre als Katastertechniker an, im Vermessungsamt, wo schon sein Onkel arbeitete. "Man hat uns damals nach acht Jahren Volksschule einfach so ins Leben entlassen", sagt er. Es gefiel ihm von Anfang an, denn Pläne, Zeichnungen, Fotos haben ihn schon immer fasziniert. Und dass er nun offiziell Paternoster fahren durfte, freute ihn auch. Schon als Kind hatte er sich heimlich am Pförtner vorbeigeschlichen und ein paar Runden im Aufzug gedreht.

Der Paternoster ist Geschichte, ebenso wie viele Plätze, auf denen Böer seine Jugend verbrachte. Das Oberwiesenfeld, auf dem er als Kind die Segelflieger beobachtete, und später den Bau des Olympiageländes. Oder das Verlagsgebäude der Süddeutschen Zeitung, auf dem Gelände werden heute Modemarken hinter schwarzen Hightech-Fassaden verkauft. Böer wechselte 1976 ins Baureferat und war von da an noch enger mit der Stadtplanung verzahnt. Er fotografierte: für den Fassadenpreis der Stadt, für Wettbewerbe, für Vorlagen im Stadtrat. Mehr als 100 000 Fotos hat er im Laufe seiner Karriere gemacht - und nebenbei das Bildarchiv aufgebaut. Er lieferte nicht nur perfekte Bilder, sondern war auch technisch immer auf der Höhe der Zeit, indem er die Digitalisierung des Archivs begleitete. "Ich hatte das Glück, mein Hobby zum Beruf machen zu können", sagt der drahtige Rentner zufrieden.

Noch immer geht er wachen Auges durch die Stadt. "Das Kleinteilige, das den Charakter Münchens ausmachte, ist an vielen Stellen verschwunden", stellt er bedauernd fest. Dass die Verantwortlichen das typisch Münchnerische nicht aus den Augen verlieren, wünscht er sich - damit die Stadt nicht eines Tages aussieht, "wie viele gleichförmige Metropolen auf der Welt".

Zum Abschied hat sein Referat einen kleinen Film mit ihm gedreht. Und wie er da so souverän an verschiedenen Schauplätzen von seinem Berufsleben erzählt, könnte man sich für ihn eine zweite Karriere als Dokumentarfilmer durchaus vorstellen.

© SZ vom 09.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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