Familien-Drama:Polizei konnte das Opfer nicht schützen

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Sazan B. hatte ihren Mann hinausgeworfen - doch ihr Mut hat ihr nichts genutzt.

Susi Wimmer

Kazim M. galt als gewalttätig. Der Iraker hatte seine 24-jährige Frau mehrfach geschlagen und bedroht. Sie brachte den Mut auf, sich von der Polizei beraten zu lassen, die Scheidung einzureichen, ihn aus der gemeinsamen Wohnung in Garching zu verweisen und anzuzeigen. Blind vor Wut lauerte der 35-Jährige ihr am Mittwochabend auf und brachte sie um.

Mit diesem Messer, so die Polizei, hat der Täter seine Ex-Frau am Tag der Scheidung niedergestochen, bevor er sie mit Benzin anzündete. (Foto: Foto: dpa)

Wie bereits in der Spätauflage berichtet, hatte die 24-jährige Sazan B. den Angriff ihres Ex-Mannes nicht überlebt: Der mutmaßliche Täter hatte ihr am Tag des Scheidungstermins offenbar gezielt in der Maier-Leibnitz-Straße in Garching aufgelauert.

Die Mutter wollte sich vor das Kind stellen

Als sie ihn auf sich zustürmen sah, so die Rekonstruktion der Polizei, versuchte Sazan B. erst auszuweichen und sich dann zwischen ihn und das gemeinsame Kind zu stellen. Ihr früherer Partner stach dann mit einem zweischneidigen Stiefelmesser mehrfach auf Kopf und Körper der Frau ein, sie flüchtete noch auf die andere Straßenseite und stützte sich schwerstverletzt an einem geparkten Auto.

Da holte Kazim M. noch eine mit brennbarer Flüssigkeit gefüllte Spülmittelflasche aus seinem Auto, goss den Inhalt über der Frau aus und zündete sie an.

Der fünfjährige Sohn des Paares starrte fassungslos auf die brennende Mutter, der Vater blieb ebenfalls stehen. Ein in der Nähe wohnender Polizeibeamter, Mitglied der Reiterstaffel, nahm seine Dienstwaffe und rannte auf die Straße.

Er rief mit vorgehaltener Pistole "Polizei, Messer weg!", als der Mann sich nach der Tatwaffe bückte. Der Iraker ließ sich dann festnehmen. Laut Obduktion hätten allein schon die Stiche mit der etwa zehn Zentimeter langen Klinge ausgereicht, um die 24-Jährige zu töten. Wegen besonderer Heimtücke erließ der Ermittlungsrichter gestern Nachmittag Haftbefehl wegen Mordes gegen den Iraker Kazim M., der selbst Schnittwunden an den Händen und Verbrennungen am Hals davontrug.

Rettungssanitäter psychologisch betreut

Der Anblick am Tatort war so furchtbar, dass die Zeugen und selbst die Rettungssanitäter anschließend vom Kriseninterventionsteam psychologisch betreut werden mussten. Nach Angaben der Polizei hatte Kazim M. seine Frau schon des öfteren geschlagen und bedroht. Es gab auch drei Anzeigen wegen Körperverletzung gegen andere Personen und eine wegen Vergewaltigung gegen den Mann.

Die gebürtige Irakerin Sazan B., die auf das Tragen eines Kopftuchs verzichtete, reichte die Scheidung ein. Ihr Mann zog vor etwa einem Jahr aus der gemeinsamen Wohnung in Garching aus und mietete sich in Oberföhring ein. Sazan B. wurde in das Polizeiprogramm "Münchner Unterstützungsmodell gegen häusliche Gewalt" aufgenommen. Warum sie trotzdem sterben musste, das untersuchen die beteiligten Behörden nun fieberhaft.

Der Täter war schon mehrfach festgenommen worden

"Wir bekommen jeden Fall von häuslicher Gewalt auf den Tisch", sagt Stephanie Badewitz vom Kommissariat für Prävention und Opferschutz. Jedes einzelne Opfer werde von der Polizei angesprochen. "Wir bieten selbst dann Beratung an oder informieren externe Initiativen, wenn die Frauen das wollen", erklärt sie.

Die Frau kann sich dann dieses Verbot nach dem neuen Gewaltschutzgesetz gerichtlich bestätigen lassen. "Erst dann kann die Polizei aktiv werden", sagt Badewitz. Verstößt der Aggressor gegen die Regel, könne ein Ermittlungsrichter unter anderem entscheiden, ob der Mann präventiv für längere Zeit in Gewahrsam genommen werden kann.

Wie oft Kazim M. gegen die Kontaktsperre verstoßen hat und wie massiv er seine Frau bedroht hatte, ließ sich gestern nicht Erfahrung bringen. "Der Mann wurde von uns mehrfach festgenommen und auch vorgeladen", sagte gestern Polizeisprecher Peter Reichl. "Von polizeilicher Seite aus wurde alles getan, was möglich ist." Und: "Es hat rechtlich nicht gereicht, um ihn wegzusperren." Im Justizministerium war am Donnerstag noch keine Stellungnahme zu erhalten.

© SZ vom 27.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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