Facharbeit über Aktfotografie:"Nacktheit ist etwas Natürliches"

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Mehrere junge Menschen haben für Isabel Franzkes Facharbeit die Hüllen fallen lassen. Die Schülerin hat Aktgemälde alter Meister fotografisch neu inszeniert.

Lena Mischau, SZ-Jugendseite

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

Die Schülerin Isabel Franzke hat Aktgemälde alter Meister für ihre Facharbeit neu inszeniert. (Foto: Foto: privat)

In ihrer Facharbeit "Faszination Nacktheit - der Körper in der Fotografie des 20. Jahrhunderts" überträgt Isabel Franzke aus Markt Schwaben Aktgemälde alter Meister in zeitgenössische Fotografie. Für die 20-jährige Schülerin ließen in deren improvisiertem Studio mehrere Jugendliche die Hüllen fallen.

SZ-Jugendseite: Isabel, der Titel deiner Facharbeit lautet "Faszination Nacktheit". Worin besteht für dich diese Faszination?

Isabel Franzke: Der unbekleidete menschliche Körper ist natürlich und unverstellt; dieses Schlichte trägt so viel Schönheit in sich. Wer nackt ist, kann sich nicht hinter Kleidung oder irgendeiner anderen Fassade verstecken.

SZ-Jugendseite: Sondern?

Franzke: Er ist, wie er ist. Der Betrachter hat den wahren Menschen als solchen vor sich. Diese Faszination besteht seit Urzeiten - und ihr möchte ich auf den Grund gehen.

SZ-Jugendseite: Ist das Thema aber nicht gewagt für eine Facharbeit - vor allem, wenn die Bilder in deiner Schule ausgestellt werden?

Franzke: Der nackte Körper allein erregt doch nicht das Aufsehen, sondern der Umgang mit ihm. Er verrät so viel über die jeweiligen gesellschaftlichen Moralvorstellungen einer Epoche.

SZ-Jugendseite: Aber in einer Schule...

Franzke: Wegen des Praxisbezugs ist das Thema zwar tatsächlich etwas ungewöhnlich. Aber ich glaube, dass hier besonders unter Schülern großes Interesse besteht. Schon Fünftklässler werden jeden Tag mit Nacktheit konfrontiert - und das zu großen Teilen auf unschöne Art.

SZ-Jugendseite: Was meinst du damit?

Franzke: Heutzutage scheinen kein Werbespot, kein Film und kein Plakat ohne bloße Körper auszukommen. Nacktheit ist kommerzialisiert und gibt es an jeder Ecke. Mit meiner Facharbeit möchte ich eine andere Erfahrung von Nacktheit vermitteln, wieder einen natürlichen Umgang mit ihr und Normalität. Gerade die öffentliche Ausstellung der Bilder zeigt doch auf, dass ein solcher Umgang möglich ist. Ich betrachte den menschlichen Körper schließlich mit den Augen eines Künstlers, nicht mit denen eines Erotikfotografens.

SZ-Jugendseite: Woran machst du den Unterschied zwischen Kunst und Erotikfotografie denn fest?

Franzke: Letztere bezieht sexuelle Reize mit ein. Das möchte ich auf keinen Fall. Mir geht es nicht um schonungslose Darstellung von Körpern, sondern darum zu zeigen, dass die Faszination von Nacktheit etwas ganz Natürliches ist. Ich will weg von der medialen Überflutung mit Bildern von nackten Körpern, zurück zu den Wurzeln - mir geht es darum die Ästhetik des menschlichen Körpers wieder in den Mittelpunkt zu rücken.

SZ-Jugendseite: Es ist gar nicht so leicht professionelle Aufnahmen ohne besondere Vorkenntnisse hinzubekommen. Wie hast du das Ganze umsetzen können?

Franzke: Ursprünglich sollte mir ein Studio zur Verfügung gestellt werden. Weil das nicht geklappt hat, habe ich in meinem Wohnzimmer ein Fotostudio improvisiert - aus Leinentüchern, Scheinwerfern, Utensilien aus dem Theaterfundus unserer Schule. Fotografie war schon immer ein Hobby von mir, die Details habe ich mir angelesen. Über meinen Bekanntenkreis und Suchanzeigen in regionalen Social-Networks habe ich dann die Models gefunden.

SZ-Jugendseite: Aber war das trotz der künstlerischen Überschrift nicht ein seltsames Gefühl, fremde Menschen nackt zu fotografieren - und das noch in deiner Wohnung?

Franzke: Auf jeden Fall, besonders zu Beginn. Aber im Laufe eines Shootings entwickeln sich Vertrauen und Eigendynamik. Der Blick durch die Kamera hat mir eine objektive Betrachtung der Körper ermöglicht, die Linse war das Bindeglied zwischen dem Model und mir.

SZ-Jugendseite: Das klingt so souverän. Keine Nervosität?

Franzke: Wahrscheinlich waren die Models weniger aufgeregt als ich. Letztlich habe ich durch die Shootings zuallererstes für mich selbst verwirklicht, was ich mit meiner Facharbeit bei anderen erreichen will: Den Umgang mit Nacktheit erkunden, und schließlich eine natürliche, unverkrampfte Umgangsweise mit ihr ermöglichen und erfahrbar machen.

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

© SZ vom 02.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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