Erste Station:Begleitung bis zum Schluss

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Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder war Vorreiter

Von Sven Loerzer, München

Ende der Achtzigerjahre waren die Vorbehalte noch groß. Geht denn das, eine Palliativstation in einem Krankenhaus einzurichten? Nicht wenige fürchteten, eine Station für Sterbende würde dem Ruf eines Krankenhauses schaden. Doch die Barmherzigen Brüder ließen sich nicht beirren. Vor 25 Jahren gründeten sie in ihrem Krankenhaus in München die erste Palliativstation in Bayern, heute mit 32 Betten bundesweit die größte. Die nach dem Ordensgründer Johannes von Gott benannte Station sollte in seinem Sinne "Gastfreundschaft bieten für Schwerkranke und Sterbende auf ihrem letzten Lebensweg, sie umsorgen und begleiten", sagt Susanne Roller, die dort seit 20 Jahren als Oberärztin arbeitet.

Rund 20 000 sterbenskranke Menschen und deren Angehörige hat die Station in 25 Jahren mit einem multiprofessionellen Team betreut, um die Symptome ihrer Krankheit zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Dazu zählt bei weitem nicht nur, Schmerzen zu verringern, sondern sich umfassend um alle körperlichen, seelischen und spirituellen Leiden des Patienten, aber auch seines nächsten Umfelds zu kümmern.

Die Station ist wohnlich gestaltet, hat helle Zimmer mit Wintergarten, das Krankenbett lässt sich auch mal auf die Terrasse schieben. Für Angehörige ist ein Gästezimmer eingerichtet. Die Küche bemüht sich, den Essenswünschen der Kranken gerecht zu werden. Neben Ärzten und Palliativpflegefachkräften besteht das Team auch aus speziell geschulten Physio-, Atem-, Musik- und Kunsttherapeuten, ehrenamtlichen Hospizhelfern und Seelsorgern. All diese zusätzlichen Angebote ließen sich aus dem pauschalierten Abrechnungsverfahren der Krankenkassen nicht finanzieren. Für diese Angebote sind Spenden nötig, die der "Verein zur Förderung des Johannes-Hospizes" sammelt.

Im Durchschnitt bleiben die Patienten elf Tage, manche sterben innerhalb 24 Stunden. Eigentlich ist das Ziel des Aufenthalts, Schwerstkranken zu ermöglichen, wieder zu Hause zurecht zu kommen. Doch für etwa 60 Prozent der Patienten geht das Leben auf der Palliativstation zu Ende. "Viele kommen erst kurz vor dem Tod zu uns", erklärt Susanne Roller. Das liege daran, dass es heute sehr viel mehr ambulante Angebote gebe als noch vor 25 Jahren, als die Hospizarbeit noch am Anfang war und es auch keine stationären Hospize gab. Damals kamen viele HIV-Patienten auf die Palliativstation, jetzt sind sie extrem selten, weil HIV langfristig behandelbar ist. Heute sind etwa 80 Prozent der Patienten auf der Palliativstation Tumorkranke. Gerade sie aber, sagt Roller, kämen oft erst in einem späten Stadium: "In die Palliativstation zu gehen, ist für sie ein schwerer, einschneidender Schritt." Schließlich bedeute dies auch, von der Hoffnung auf Heilung Abschied zu nehmen.

Um die Nöte der Patienten und ihrer Angehörigen zu lindern, haben die Barmherzigen Brüder inzwischen ein umfassendes Angebot. Sie kooperieren mit dem ambulanten Hospizdienst der Caritas. Der Malteser Hilfsdienst finanziert einen Sozialarbeiter, der die Entlassung von Patienten nach Hause oder in ein Pflegeheim vorbereitet. Der Rotary Club München Königsplatz bezahlt eine "Brückenpflegekraft", die Kranke nach Hause begleitet. Es gibt ein Team für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung und eine Spezialambulanz für Menschen mit unheilbaren Krankheiten. Seit 2004 existiert neben der Klinik das Johannes-Hospiz.

Susanne Roller aber hat noch einen Traum: "Dass das, was wir machen, auf der Normalstation angeboten wird." Denn die "Versorgung von Schwerkranken und Sterbenden in unserer Gesellschaft ist katastrophal." Sie sagt das vor allem mit Blick auf die Pflegeheime: "Das Personal arbeitet an der Grenze der Belastbarkeit, aber es sind viel zu wenig Pflegekräfte da." Die Besetzung betrage im Schnitt gerade mal ein Drittel des auf einer Palliativstation eingesetzten Personals.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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