Erschreckende Zahlen :Armut nimmt zu - genau wie die Mietpreise

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SZ-Leser sehen teils die Regierung am Zug, weil die Mieten gedeckelt werden müssten, andere halten die Armuts-Defintion für falsch

"Armutszeugnis für den Bund" und Kommentar "Abgehängt" vom 17. November sowie "Es gibt zwei Stadtgefühle" vom 28. November:

Mieten als Preistreiber

Es ist zu einfach, den Bund allein für die horrend steigenden Mieten in München und in anderen Ballungsgebieten verantwortlich zu machen. Hier trägt die seit Jahren in Berlin mitregierende CSU und die bayerische Staatsregierung eine gehörige Portion Mitschuld. Diese sogenannte christliche Partei will sich zwar für die "kleinen Leute" einsetzen, verhindert aber auf der anderen Seite eine Korrektur der unfairen und unsozialen Miet-Gesetze. Die Haupt-Miet-Preistreiber sind zum Beispiel: In die Berechnung des Mietpreisspiegels gehen nur die letzten vier hochpreisigen Jahre ein (hier müsste die Basis erweitert werden); entsprechende Miet-Erhöhung um 15 bis 20 Prozent gemäß Mietpreisspiegel dann alle drei Jahre möglich; Umlage der Modernisierungskosten beziehungsweise energetischen Modernisierung ohne Deckelung (elf Prozent dieser Kosten pro Jahr können umgelegt werden - auch nach Abbezahlung nach neun Jahren bleibt die Miete oben. Welcher prekär Beschäftigte oder Rentner hat derartige Einkommenssteigerungen netto? Hinzu kommen gerade im Alter noch steigende Gesundheitskosten (Zuzahlungen bei Hilfsmitteln, etcetera). Die Armut ist also programmiert! Dietmar A. Angerer, München

Falsche Armuts-Relation

Der Armutsbericht ist ein Armutszeugnis für die Stadt München. Fast 20 Prozent der Münchner werden als arm bezeichnet, "da sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Vergleichsbevölkerung verfügen". Dieser Logik folgend steigt die Armut, wenn die Fußballer des FC Bayern neue Millionenverträge aushandeln, und rund um den Tegernsee wäre die Armut am allergrößten.

Mit derartigen interessengeleiteten Berichten (ebenso jüngst von der Bertelsmann Stiftung) betreiben Linke, Grüne und SPD Armutspopulismus. Sie beflügeln Wutbürger, aber auch Münchner Bürger in ihrer Vorstellung, es gehöre zum Existenzminimum, mit dem SUV auf einen Cappuccino in die Maximilianstraße zu fahren. Armut bestimmt sich vielmehr aus den Sozialgesetzen. Danach ist arm, wer auf Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) XII oder Grundsicherung nach dem SGB II angewiesen ist, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können.

Sein Bedarf wird - im Einklang mit Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 23.7.2014 - gedeckt durch Regelsatz (für Alleinstehende 409, in München 430 Euro), plus Miete in tatsächlicher Höhe (auch in München, soweit die Behörde nicht eine angemessene, billigere Wohnung nachweisen kann), plus Heizung ebenfalls in tatsächlicher Höhe, plus Beitrag für Kranken-und Pflegeversicherung, plus "einmalige Bedarfe" (zum Beispiel für Bekleidung und Wohnungsausstattung), plus Mehrbedarf (zum Beispiel für Alleinerziehende), plus Bildung und Teilhabe für Kinder. Die Betreuung in Kindertageseinrichtungen ist gebührenfrei (§ 90 Abs.3 SGB VIII). Dass man mit diesen Leistungen nur ein bescheidenes Leben fristen kann, wird niemand bestreiten. Aufwendige Kindergeburtstage oder ein neues Smartphone können damit sicher nicht finanziert werden. Es ist nicht verwunderlich, dass Flüchtlinge bevorzugt in Deutschland mit seinem weltweit einmaligen Sozialleistungssystem Schutz suchen. Von "Armut" kann jenseits dieser Existenzsicherungsgrenze also nicht die Rede sein. Noch eine Anregung für den nächsten Armutsbericht: Wie hoch ist der Anteil der 20 Prozent Armen an den Besuchern von Tattoo-Studios? Prof. em. Peter-Christian Kunkel, Offenburg

Weltstadt der Geldgier

Die Zahl der Armen in München ist drastisch gestiegen (SZ vom 17. November): Wundert das jemand? Weil Vermieter glauben, schnell reich werden zu müssen, und ihre Hausinsassen ausnehmen wie Weihnachtsgänse, deshalb ist das so. München, Weltstadt mit "Herz"? Nein: Weltstadt der Geldgier! Josef Fehle, Dasing

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© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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