Eröffnung des Museums Brandhorst:Mehr Rot für die Lounge

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Endspurt im Museum Brandhorst: Vier Tage bis zur Eröffnung - und 700 Kunstwerke suchen noch ihren Platz. Ein Besuch bei den Handwerkern.

Anne Goebel

"Zur Kunst hin", sagt Elisabeth Bushart, "wird zugemacht." Dabei schaut die Restauratorin so ernst, wie man als Museumsrestauratorin wahrscheinlich schauen muss kurz vor dem entscheidenden Moment. Obwohl ja ein freudiges Ereignis bevorsteht. Mittwoch, 13.30 Uhr, Theresienstraße 35a: Noch vier Tage, eine Stunde, 30 Minuten bis zur Eröffnung des Museum Brandhorst. Zumindest bis zum ersten Teil der Eröffnung, das Großereignis, sozusagen die finale Krönung des Kunstareals, wird über mehrere Tage begangen. Zum Auftakt segnen Kirchenvertreter am Sonntagnachmittag den farbig schillernden Bau in der Maxvorstadt - bis dahin muss alles fertig sein.

Der letzte Schliff: Die Restauratorin Elisabeth Bushart bei ihrer Arbeit im Museum Brandhorst. (Foto: Foto: Hess)

Und weil an diesem Morgen plötzlich entschieden wurde, die Lounge in der ersten Etage schnell noch rot zu streichen, muss Elisabeth Bushart für klare Trennung sorgen. Hier, wo die Clubsessel bereitstehen, kann gemalert werden. Nebenan hängen gleich am Durchgang millionenschwere Bilder von Cy Twombly, und da darf kein Spritzer Farbe hin. Eine Plane aus Plastik soll Pannen verhindern. Zum Glück liege der Aufzug für die Handwerker an der richtigen Ecke, sagt Elisabeth Bushart. Richtig heißt: nicht da, wo Twombly ist. Für einen Augenblick sieht sie müde aus.

Fragile Skulpturen, verrückte Installationen

700 moderne und zeitgenössische Kunstwerke umfasst die kostbare Sammlung von Udo und Anette Brandhorst, die nun in Sichtweite der altehrwürdigen Pinakotheken und der etwas neueren Pinakothek eine Heimat findet. Es sind fragile Skulpturen, verrückte Installationen, Gemälde von der Länge eine Linienbusses. Wenn sich das Publikum kommende Woche an Christi Himmelfahrt bei freiem Eintritt umsieht in den hohen, lichten Sälen, wird alles schön an seinem Platz stehen.

Wie die teilweise sperrigen Exponate dorthin kamen, wissen Elisabeth Bushart und ihre Kollegin Heide Skowranek. Die beiden Restauratorinnen haben den Aufbau der Ausstellung von Anfang an begleitet. Im Februar 2009 reiste der Künstler Franz West an, um seine in Wien gelagerte, bei der venezianischen Biennale von 2007 gezeigte Installation im Brandhorst-Bau zu "stellen", wie es im Jargon heißt. Das war der Auftakt. "Ein tolles Erlebnis, endlich kam die Kunst ins Haus", sagt Heide Skowranek, während neben ihr ein Maler einige Macken an der weißen Wand überpinselt.

Wieviele Lastwagenladungen mit Gemälden, wieviele mit Spezialschaumstoff ausgelegte Kisten, in Reiserahmen gespannte Bilder seither angekommen sind an der Museumszufahrt beim Türkentor, hat niemand genau gezählt. Inzwischen sind die meisten Stücke ausgepackt und platziert. Es wird zwar noch geschraubt, an den Sicherungsanlagen gebastelt, Leitern stehen neben Baselitz, im ersten Stock liegt ein kleiner Berg aus Filzmatten (der Laie könnte eine Installation vermuten). Aber man kann sich schon vorstellen, wie es aussehen wird, wenn die Besucher über die edlen Eichenbohlen spazieren, an den ledernen Geländern die Treppen heraufkommen. Wobei das Unfertige auch seinen Reiz hat. Die wunderbar zarten Graphiken des Amerikaners Cy Twombly zum Beispiel sind mit Schleiern aus Pergament vor Licht geschützt, die bei jedem Luftzug ein lautloses, seltsames Ballett zu tanzen scheinen. Und zu Füßen der verstörend realistischen Skulptur von Ron Mueck, die eine blaugeäderte Gebärende mit gespreizten Beinen und Säugling auf dem Bauch zeigt, kriechen zwei Elektriker über den Boden und fischen im Lüftungsschacht nach Kabeln. "Hasta's?" - "Hab's". So nah dürften sich Kunst und Alltag hier nicht mehr oft kommen.

27.683 bunte Tabletten

Von den logistischen Großunternehmungen in Sachen Brandhorst sind Elisabeth Bushart und Heide Skowranek vor allem zwei in Erinnerung geblieben. Das eine war die Operation "Last Supper". Das elf Meter lange Werk von Andy Warhol lagerte außerhalb Münchens und musste, um ohne Klimaschaden in die Theresienstraße zu gelangen, am Ende von zehn Personen in einen auf kunstgerechte 20 Grad heraufgeheizten Kühllaster geschafft werden. Die einschlägigen Kunstspeditionen verfügten über keinen ausreichend langen Wagen.

Das zweite ist das Pillenregal von Damien Hirst. Der provokationsfreudige Brite hat in einer verspiegelten Vitrine 27.683 bunte Tabletten aus Gips, Kunstharz und Bronze angeordnet. Das Oeuvre reiste zerlegt von Neapel nach München, wo jede einzelne Pille, nach einem genauen Plan mit zahllosen Längs- und Quernummerierungen, in einer ungeheuerlich erscheinenden Aktion auf je einen Tropfen Spezialsilikonkleber namens "Billy Blobs" aufgesetzt wurde. Fünf Leute waren zwei Wochen lang beschäftigt, erzählt Elisabeth Bushart. Was allein schon belegt: Das Museum Brandhorst, der schillernde Würfel, ist ein phantastischer Zauberkasten.

© SZ vom 14.05.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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