Ermittlungen:Die dunkle Spur des Pflegers W.

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Der 36-jährige soll nicht nur einen 87-jährigen Mann aus Ottobrunn getötet haben

Von Martin Bernstein

Anfang September will die Münchner Mordkommission berichten, wie weit sie mit ihren Ermittlungen gegen den mutmaßlichen "Todespfleger" Grzegorz W. ist. Doch schon jetzt wird immer deutlicher, dass der Mordvorwurf, den die Staatsanwaltschaft gegen den 36 Jahre alten Mann nach dem Tod eines von ihm betreuten 87 Jahre alten Pflegepatienten aus Ottobrunn erhebt, nur einer von mehreren ähnlich gelagerten Fällen ist. Der alte Herr war am Rosenmontag gestorben.

Einen weiteren Fall, in dem W. einen von ihm gepflegten Rentner mit einer Insulininjektion getötet haben soll, kennt die Ermittlungsgruppe "Pen" aus dem Landkreis Kitzingen. Dort war im Januar ein 84 Jahre alter Mann gestorben, scheinbar eines natürlichen Todes. Drei Tage zuvor war ein neuer Pfleger gekommen, der sich 24 Stunden am Tag um den Rentner kümmern sollte: der stämmige Grzegorz W., der zur selben Zeit eine seiner vier Facebook-Seiten mit seinem Konterfei und den goldenen Buchstaben "2018 Happy New Year" schmückte.

Im März wurde die Leiche exhumiert. Die Rechtsmediziner stellten fest: Ebenso wie im Fall Ottobrunn ist der Mann aus Franken keines natürlichen Todes gestorben. Es gibt einen dringenden Tatverdacht gegen W. 68 Orte in Deutschland kennt die Polizei inzwischen, an denen W. seit Mai 2015 alte Menschen betreute. Meist nur für wenige Tage, immer wieder im Auftrag anderer Vermittlerfirmen. Auch eine eigene Firma hatte W. im polnischen Jelenia Gora angemeldet. Mindestens 21 Mal war W. in Bayern beschäftigt, fünfmal im Großraum München, etwa bei Fürstenfeldbruck. Auch in Traunstein, Niederbayern und Franken war er im Einsatz. Oft passierte nichts, manchmal wurde W. sofort gefeuert, weil er desinteressiert oder aggressiv den alten Menschen gegenüber war.

In anderen Fällen - die Staatsanwaltschaft spricht von momentan 16 - soll W. Geld oder Wertsachen mitgenommen haben. Und mindestens drei Fälle wertet die Staatsanwaltschaft derzeit als versuchte Morde. Eine dieser Taten soll W. am 26. Juni 2017 im Landkreis Weilheim verübt haben. Einem Rentner spritzte er Insulin. Eines von vier weiteren mutmaßlichen Opfern des Pflegers, die nach Angaben von Ermittlern in teilweise lebensbedrohlichem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Manchmal hatte der 36-Jährige selbst den Rettungsdienst verständigt, ehe er abreiste. "Bei allen wurde ein nicht erklärbarer, teils extrem niedriger Blutzuckerwert, festgestellt", so die Polizei. "Durch medizinische Notfallmaßnahmen konnten alle vier überleben, eine dieser Personen verstarb jedoch circa zwei Monate später." Es handelt sich um einen 91-Jährigen aus Mülheim an der Ruhr. Weil nicht geklärt werden kann, ob der demente Mann als direkte Folge der Insulininjektion starb, wertet die Staatsanwaltschaft die Tat derzeit als versuchten Mord.

Ebenso stuft sie einen Fall aus dem baden-württembergischen Esslingen vom Juli vergangenen Jahres ein. Auch dort kam es zu einem Notarzteinsatz während genau der zwei Tage, als W. dort einen 91-Jährigen betreute. Und es gibt weitere, bislang ungeklärte Fälle, die von den Ermittlern noch untersucht werden: Todesfälle in Forchheim, Tuttlingen und Hannover (alle im Juli 2017) sowie in Burg in Schleswig-Holstein, außerdem Insulin-Injektionen bei Betreuungspersonen in Aresing bei Schrobenhausen im August vor einem Jahr und in Waiblingen bei Stuttgart im Dezember. "Inwieweit sich die Vorwürfe ausreichend verdichten lassen, ist jedoch noch weitgehend offen", sagt Florian Weinzierl, Sprecher der Staatsanwaltschaft München.

© SZ vom 29.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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