Erinnerung:Der Blick des Zeichners

"Meine allerletzte Kohl-Karikatur" - und Ernst Maria Lang blickt seinem Kollegen über die Schulter. Karikatur: Luis Murschetz (Foto: N/A)

An diesem Donnerstag wäre Ernst Maria Lang 100 geworden

Von Luis Murschetz

"Schurke", eine tiefe Stimme am Telefon, morgens, jeden Freitag, über drei Jahrzehnte lang. "Was hast du auf der Pfanne, Muri?" Ernst Maria Lang, der große Karikaturist der SZ und Kollege, ist Frühaufsteher und hört an meinem Krächzen, dass er mir gerade mit seinem Anruf das dicke Plumeau weggezogen hat. Völlig unnötig, dass in solchen Momenten gern aus dem Off auch noch der Wecker losrappelt. Aber Lang kennt die Umstände, weiß Bescheid - und freut sich, lacht. Also, was habe ich auf der Pfanne? Was wäre ein Thema? Wir unterhalten uns, wer zeichnet was? Die Seite Drei war am Wochenende Langs Revier, meines ist die Meinungsseite. Die Idee entstand beim Plaudern: Brandt, Schmidt, Kohl, Merkel, Carter, Breschnew, alles Wichtige wird besprochen. Am Ende des Telefonats ist die Arbeit schon fast getan, Zeichentusche und Papier warten. 2003 beendete Lang die Arbeit am Blatt, wie er es nannte. Ohne seinen Anruf ist es Freitag früh hier einsamer geworden. Ernst Maria Lang starb 2014; er wäre heute hundert Jahre alt geworden.

Ernst Maria Lang, geboren am 8. Dezember 1916, wuchs in Oberammergau auf. 1947 wurde er politischer Karikaturist bei der SZ. Hier veröffentlichte er weit mehr als 4000 Zeichnungen. Seine erste Karikatur wurde am 27. November 1947 gedruckt, seine letzte am 20. September 2003. Ernst Maria Lang erhielt jede Menge Auszeichnungen. Er starb am 1. August 2014.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: