Ergebnisse:Die größten Kleinen

Lesezeit: 4 min

Die FDP jubelt, die Linke ist enttäuscht und die AfD halbiert

FDP

Was war das für ein Jubel auf der Wahlparty der FDP, als am Sonntagabend im Hofbräukeller die Prognose über den Bildschirm flimmerte. Zwölf Prozent, ein "historisches Ergebnis" sei das, rief Daniel Föst, Landesvorsitzender und Direktkandidat aus dem Wahlkreis München-Nord, den berauschten Parteifreunden zu. Zweistellig, zum zweiten Mal nacheinander, dazu hat man ein rot-rot-grünes Bündnis im Bund verhindert und wird wohl an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein. "Wir haben alle Ziele erreicht", erklärte Föst - und schien dabei ganz vergessen zu haben, dass er eigentlich 13 Prozent als Zielmarke ausgegeben hatte.

Mit einem Tag Abstand müssen sich auch die Münchner Liberalen eingestehen, dass sie bei den Zweitstimmen leichte Verluste im Vergleich zur letzten Bundestagswahl vor vier Jahren hinnehmen mussten. Die 0,5 Prozentpunkte weniger will man aber nicht dramatisieren. "Das ist homöopathisch", sagt der Stadtvorsitzende Michael Ruoff am Montag - und verweist auf die Zugewinne bei den Erststimmen.

Die Bilanz der Direktkandidaten fiel wie erwartet aus: Mit Daniel Föst, Lukas Köhler und Thomas Sattelberger sind drei der vier Münchner Kandidaten über die Landesliste in den Bundestag eingezogen, nur für Daniela Hauck auf Rang 27 reichte es erwartungsgemäß nicht. Föst meldete bereits erste Ambitionen auf einen Posten als Staatssekretär an: Wenn die Partei ihn frage, sei er bereit, in diesem Amt sein Spezialgebiet Bauen und Wohnen zu vertreten.

Insgesamt hat die FDP in München ein solides Ergebnis eingefahren. Ob dies nun ein Indiz dafür ist, dass sich die Liberalen als vierte politische Kraft in der Stadt etablieren, wie manch einer aus der Münchner FDP-Spitze die Zahlen vom Sonntag gedeutet hat, bleibt abzuwarten. Denn dass die Liberalen zu SPD und CSU aufgeschlossen haben, liegt weniger am guten eigenen Ergebnis, als an den dramatischen Verlusten der anderen - von denen die FDP, zumindest in München, nicht wirklich profitieren konnte.

AfD

2017 waren es 8,3 Prozent, jetzt nur noch 4,5: Das Zweitstimmenergebnis der AfD in München hat sich nahezu halbiert. Bereits am Sonntagabend, als die Zwischenstände noch ein etwas besseres Ergebnis verhießen, sagte der Münchner Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wiehle, die Partei tue sich in Städten schwerer als auf dem Land.

Am Montag, am Tag nach der Wahl, führt er den Gedanken aus: "Unter den Wählern in München ist es relativ ausgeprägt, dass man sich mit seinem Einkommen grüne Politik leisten kann." Ist die AfD für ihn also eine Partei für eine eher arme Landbevölkerung? Ganz so will er das nicht verstanden wissen. "Die Leute werden auch in München unter politischen Einschränkungen leiden", prognostiziert Wiehle, der - wie auch der andere Münchner Abgeordnete Petr Bystron - wieder in den Bundestag einzieht. "Es wird einen Übergang von der Lockdown-Politik zur Klima-Lockdown-Politik geben", so Wiehle weiter. Diese werde das Leben verteuern und Arbeitsplätze gefährden. Seine Partei werde deshalb an einer "Stadtstrategie" arbeiten, um in München wieder auf bessere Ergebnisse zu kommen. Wiehle ist Vorsitzender des AfD-Bezirks Oberbayern.

Die Partei sucht bei eigenen Niederlagen gern die Schuld bei anderen, auch Wiehle sprach am Wahlabend davon, dass "die Etablierten" versucht hätten, seine Partei "auszubooten". Auf die Frage, ob die AfD selbst potenzielle Wählerinnen und Wähler verschreckt habe, etwa mit den rechtsextremen Umtrieben des "Flügels" und den daraus resultierenden internen Streitereien, antwortet Wiehle ausweichend: "Wir werden intern genau untersuchen, ob unser Erscheinungsbild so werbewirksam war." Aktivitäten von Leuten wie dem Thüringer Landeschef und Rechtsaußen Björn Höcke fänden "im Osten mehr Resonanz als im Westen Deutschlands", sagt Wiehle. "Jetzt müssen wir als Partei einen gemeinsamen Weg in die Zukunft findet, der den Hickhack beendet."

Linke

Schon früh am Sonntagabend ist klar: Das Wahlergebnis sieht nicht gut aus für die Linke. In München verliert die Partei deutlich an Stimmen, sie ist in der Stadt die größte Verliererin nach der CSU. Nur 4,1 Prozent der Zweitstimmen kann die Linke für sich verbuchen, das ist eine Halbierung gegenüber der Bundestagswahl 2017. Bei den Erststimmen sind es sogar nur 3,3 Prozent (minus 3,4 Prozentpunkte), obwohl die bayerische Spitzenkandidatin und Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke im Münchner Westen antritt. Doch selbst in ihrer Heimatstadt erhält sie nur auf der Schwanthalerhöhe mit 6,9 Prozent ein nennenswertes Ergebnis. Vor vier Jahren wählten dort noch knapp zwölf Prozent mit der Erststimme die Linke.

Auch am Tag nach der Wahlniederlage ist die 45-jährige Gohlke enttäuscht vom Ergebnis. "Wir sind in München deutlich unter dem geblieben, was wir uns erhofft haben. In den nächsten Wochen werden wir das Ergebnis und die Ursachen ausführlich auswerten und diskutieren", sagt die Linken-Kreisvorsitzende. Von Selbstkritik ist da nicht viel herauszuhören, immerhin wird sie auch weiterhin dem Bundestag angehören, sie ist dort bereits seit 2009 Abgeordnete. Gohlke sucht die Schuld für das schlechte Abschneiden zunächst bei anderen. Sie fand es "frappierend, wie sehr die Rote-Socken-Kampagne verfangen hat", gerade in den vergangenen Tagen habe das viele Menschen verunsichert. Sie sieht in einer ersten Analyse vor allem zwei Gründe für das Debakel: Das Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD und Union habe der Linken geschadet, aber auch, dass die Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten erst so spät festgestanden haben. "Wir haben jetzt auch innerparteilich etwas zu klären", sagt Gohlke.

Die drei anderen Direktkandidaten der Linken in München, Kerem Schamberger (Süd), Christian Schwarzenberger (Nord) und Julian Zieglmaier (Ost) ziehen nicht in den Bundestag ein. Als Lehre aus dem Wahlkampf zieht der 26-jährige Student der Politikwissenschaft scherzhaft ein Fazit für ein mögliches Berufsziel: Wegen des wochenlangen Haustürwahlkampfs würde er sich wohl auch als Staubsaugervertreter gut machen, sagte Zieglmaier am Wahlabend. Zumindest er konnte da noch lachen.

Sonstige

Die kleinen Parteien, die im Münchner Stadtrat vertreten sind, haben bei der Bundestagswahl kaum eine Rolle gespielt. Die ÖDP kam auf 1,1 Prozent der Erststimmen und 0,7 Prozent der Zweitstimmen, damit verlor die ÖDP sogar noch leicht im vergleich zur vorigen Bundestagswahl. Umgehend übte der Stadtvorstand Kritik an der Fünf-Prozent-Hürde und forderte, diese abzuschaffen. Immerhin hätten die kleinen Parteien, die unter "Sonstige" firmieren, etwa fünf Millionen Stimmen erhalten, die nun den großen Parteien zugeschlagen würden. Leicht gewinnen konnten die Freien Wähler, sie kamen bei den Zweitstimmen auf 2,6 Prozent, was ein deutlicher Zuwachs um 1,5 Punkte ist. Volt erreichte 0,8 Prozent bei Erst- und Zweitstimmen, sie hat sich im Stadtrat mit der SPD zur Fraktion zusammengeschlossen. Die Partei erhielt 1,0 Erst- und 0,8 Prozent an Zweitstimmen.

© SZ vom 28.09.2021 / sekr, anl, lfr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: