Erfolgsmodell Hofflohmarkt:Wer sich kennt, hilft sich leichter

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Seit 17 Jahren organisiert Dorothee Fichter die Schwabinger Hofflohmärkte. Ihr geht es vor allem um Nachbarschaft

Interview von Thomas Jordan, München

Mit ein paar Hinterhöfen in der Römer- und Agnesstraße in Schwabing fing es im Jahr 2000 an. Inzwischen hat sich das Konzept der Hofflohmärkte in ganz München ausgebreitet. Hausbewohner vom Olympiapark bis zum Glockenbachviertel schließen sich für einen Tag zusammen und verkaufen in ihren Hinterhöfen all die Dinge, die sie selbst nicht mehr brauchen. Allein in Schwabing waren im vergangenen Jahr 350 Höfe beteiligt, mehrere zehntausend Menschen besuchten die vielen verschiedenen Mini-Basare. Die Sozialpädagogin Dorothee Fichter hat die Schwabinger Hofflohmärkte vor 17 Jahren begründet und organisiert sie bis heute.

SZ: Was mögen Sie an Flohmärkten?

Dorothee Fichter: Ich finde es faszinierend, was für unterschiedliche Geschichten die Dinge auf den Tischen erzählen. Aber ich schau mir auch die Leute hinter den Tischen an. Das ist auch faszinierend, was da für Biografien dahinterstecken. Manchmal erzählen die Leute: "Das hab ich von meinem Großonkel geerbt, oder das hab ich aus einem Urlaub mitgebracht."

Vor 17 Jahren haben sie zum ersten Mal einen Hofflohmarkt in Schwabing organisiert. Wie kam es zu der Idee?

Straßenverkauf vom Wohnungsfenster aus: Bei Hofflohmärkten wie zum Beispiel in Haidhausen kann man schnell und unkompliziert über die angebotene Ware ins Gespräch kommen. (Foto: Stephan Rumpf)

Seit 20 Jahren arbeite ich in der Seidl-Villa als Sozialpädagogin. Inzwischen leite ich die "Nachbarschaft Schwabing", eine Nachbarschaftshilfe, die hilfsbedürftige Menschen unterstützt. Berufliches und Privates liegen bei mir sehr nah zusammen. Austausch untereinander braucht der Mensch einfach zum Leben. Wenn ein Haus einen Flohmarkt im eigenen Hof organisiert, dann müssen die Nachbarn zwangsläufig ein paar Sachen zusammen organisieren. Man kommt ins Gespräch. Das ist das, was Nachbarschaft im besten Sinn sein soll. Dass die Leute in einer Großstadt, wo man die Anonymität schätzt, auch mal punktuell in Kontakt kommen. Man muss nicht allerbeste Freunde werden. Aber es ist mal von außen ein Anlass.

Im Jahr 2016 haben über 7000 Menschen beim Schwabinger Hofflohmarkt als Verkäufer mitgemacht. Woher kommt ihrer Meinung nach das große Interesse?

Man braucht kein Auto, keine Anfahrt. Man lernt die Leute um einen herum kennen, und man hilft sich dann auch etwas leichter. Das schätzen die Leute sehr in München. Und am Abend nach dem Flohmarkt wird bei manchen noch zusammen musiziert. Inzwischen richten manche Leute sogar schon ihre Urlaube danach, wann der nächste Hofflohmarkt ist.

Die Sozialpädagogin Dorothee Fichter hat im Jahr 2000 die Hofflohmärkte in Schwabing ins Leben gerufen. Sie sieht darin eine Möglichkeit für Nachbarn, ungezwungen in Kontakt zu treten. (Foto: Stephan Rumpf)

Immer häufiger sieht man, dass Menschen ausrangierte Gegenstände einfach vor die Tür stellen, wer möchte, kann sich bedienen. Wie sehen sie diesen Trend?

Einerseits finde ich das gut, weil wir merken: Die Sachen, die wir nicht mehr wollen, könnten andere noch brauchen. Wir merken, in was für einer Überflussgesellschaft wir leben. Das 'Aber' kommt dann, wenn es regnet und die Sachen vergammeln, weil sie keiner abholt. Wenn man einfach sagt, ich hab es vor die Tür gestellt, jetzt ist es nicht mehr mein Problem.

Was planen Sie für den diesjährigen Hofflohmarkt am 20. Mai?

Wir erweitern uns diesmal auf das Gebiet des ganzen Stadtteils Schwabing. Von der Georgenstraße bis zum Petuelring, vom Englischen Garten bis zum Ackermannbogen finden dann Hofflohmärkte statt. Dann muss man vielleicht auch mal das Fahrrad nehmen, um alles zu sehen.

© SZ vom 21.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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