Erfahrungsaustausch:Voneinander lernen

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Bei den "Munich Young Leaders" trifft sich der Nachwuchs

Von Julian Hans

Die Staats- und Regierungschefs stehen bei der Münchner Sicherheitskonferenz zwar im Vordergrund. Aber es treffen sich längst nicht nur Politiker und Rüstungsunternehmen im Bayerischen Hof; die Konferenz ist auch ein Forum für Diplomaten, Wissenschaftler und Experten von Thinktanks. Auch wenn mit Deutschland ein Nato-Mitglied Gastgeber ist, sind beispielsweise auch Russland und China stets mit großen Delegationen vertreten.

Zum zehnten Mal organisiert in diesem Jahr die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz gemeinsam mit der Körber- Stiftung ein Treffen der "Munich Young Leaders": 25 junge Frauen und Männer aus Regierungsinstitutionen, Parlamenten, der Wissenschaft, den Medien und der Wirtschaft diskutieren über aktuelle Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Die Teilnehmer kommen aus Deutschland und anderen Nato-Staaten, aber auch aus Asien, dem Mittleren Osten, Russland und Afrika. Kandidaten werden von den Botschaften der Bundesrepublik in den jeweiligen Staaten vorgeschlagen.

Sie alle bringen aus ihrer Heimat eigene Erfahrungen mit Konflikten und Bedrohungen mit. Manchmal sind die Ursachen ähnlich, manchmal kann man von Beispielen aus anderen Regionen lernen, wie auf Gefahren reagiert und Streit beigelegt werden kann. Wir haben vier von 25 Young Leaders 2019 gefragt, was sie beschäftigt und mit welchen Erwartungen sie am Wochenende nach München kommen.

Wohlstand

(Foto: privat)

Einmal war Zhou Xizhou schon in München - vor 15 Jahren. Damals ist er als Student mit dem Rucksack durch Europa gereist. Ob er die Stadt mit den Demonstrationen und Straßensperren wohl diesmal noch wiedererkennt? Auf der Sicherheitskonferenz interessiere er sich als Chinese natürlich für die geopolitischen Spannungen und den Handelsstreit mit den USA, sagt der 37-Jährige. Beim Handel sollte es immer darum gehen, dass der Kuchen größer wird, von dem alle essen. Und nicht darum, sich ein möglichst großes Stück vom Kuchen zu sichern. Der weltweite Aufschwung in den vergangenen 30 Jahren habe bewiesen, dass das möglich ist, findet der Ökonom. "Trotzdem sollten wir die nicht vergessen, die zurückgeblieben sind, und nach Wegen suchen, sie in den Handel einzubinden und am Wohlstand teilhaben zu lassen." Zhous Spezialgebiet ist die Energie - ein Feld, das traditionell eng mit Geopolitik und Sicherheitsfragen verwoben ist. Als Analyst bei der Firma IHS Markit mit Sitz in London beschäftigt er sich aber nicht nur mit Öl und Gas. Neuerdings gewinne der Klimawandel immer größere Bedeutung für die Sicherheit, erklärt Zhou Xizhou. "Besonders für viele Entwicklungsländer wachsen die Bedrohungen, die durch den Klimawandel hervorgerufen wurden, diese Herausforderungen müssen wir dringend anpacken", sagt er. "Diplomatie ist der Schlüssel dazu."

Kinderschutz

(Foto: privat)

Das letzte Mal, als Pia Fuhrhop im großen Festsaal des Bayerischen Hofs stand, das war auf dem Abschlussball ihrer Tanzschule. Die Sicherheitskonferenz hat sie als Schülerin wie die meisten Münchnerinnen vor allem als große Straßensperre erlebt. Als außenpolitische Beraterin des Grünen-Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour würde die 38-Jährige heute gerne genau daran etwas ändern: "Außenpolitik muss erklärt werden und sie muss Unterstützung einwerben", sagt Fuhrhop. Die Sicherheitskonferenz wäre ein guter Anlass dazu. Da geht es ja um mehr als um das Verhältnis zu Russland oder zu den USA. Aus welchen kriminellen Quellen finanzieren sich Terroristen? Wie können Kinder besser geschützt werden? Welche Bedeutung haben Cyber- und Gesundheitsfragen für die nationale und globale Sicherheit? Das sind Themen, die nicht nur von Experten sondern auch in der Öffentlichkeit mehr diskutiert werden sollten, findet sie. Politiker und Sicherheitsexperten sollten sensible Fragen aber auch vertraulich besprechen können, ohne dass gleich Verschwörungstheorien sprießen. Dafür sei die Konferenz ein guter Ort, weil sie eben keine Wehrkundetagung der Nato sei, sondern ein Treffen von Akteuren mit sehr unterschiedlichen Interessen. "Politik wird von Menschen gemacht, und es ist gut, wenn die sich schon mal gegenübergesessen sind und sich in die Augen gesehen haben."

Gerechtigkeit

(Foto: privat)

Mit Fragen von Sicherheit und Verteidigung beschäftigt sich Shruti Pandalai tagtäglich. Aber in München ist sie zum ersten Mal. Die 35-Jährige arbeitet für das Institute for Defence Studies and Analyses in Neu-Delhi, einen der führenden Thinktanks für Sicherheitsthemen in Indien. Aber anders als viele denken, haben Sicherheitsfragen nicht in jedem Fall mit Militär und Rüstung zu tun. Sorgen mache ihr die wachsende Unberechenbarkeit in der Weltpolitik, sagt Pandalai. Grund dafür sei einerseits der wachsende Populismus in vielen Staaten und andererseits eine Entwicklung, die sie "Entglobalisierung" nennt: Viele Staaten suchen ihr Heil wieder in der Abschottung statt in der Zusammenarbeit. Wie manövrieren Staaten durch diesen Wandel? Wie gehen sie mit neuen Akteuren um, die die internationale Bühne betreten? Und wie kann sichergestellt werden, dass internationale Politik gerechter wird? So formuliert sie die zentralen Fragen ihrer Arbeit, auf die sie hofft, auch in München Antworten zu finden. "Ich hoffe, von den Teilnehmern der Sicherheitskonferenz zu erfahren, welche Antworten sie auf die Herausforderungen unserer Zeit haben, in der Erschütterungen und Umbrüche zur Normalität werden", sagt Pandalai. Auch die Beziehungen zwischen Europa und Indien seien im Wandel: "Die Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen und nach konstruktiven Lösungen zu suchen, um die Zusammenarbeit zu stärken, kommt da gerade zur richtigen Zeit."

Nahostkonflikt

(Foto: privat)

Als Majed Bamya vor 36 Jahren geboren wurde, gab es den Streit schon, mit dem er sich heute als Diplomat befasst. Seit mehr als 70 Jahren steht der Nahostkonflikt auf der Agenda der Vereinten Nationen. Bamya arbeitet dort in der palästinensischen Vertretung. Eines Tages, so hofft er, werden Israel und Palästina als zwei Staaten friedlich nebeneinander existieren. "Frieden im Nahen Osten würde das wahre Potenzial dieser Region entfalten und auch zur globalen Sicherheit beitragen", sagt Bamya. Dauerhafter Frieden könne aber nur erreicht werden, wenn die Rechte aller Menschen gleichermaßen geachtet würden. "Sicherheit darf nicht als Vorwand benutzt genutzt werden, um Menschen zu unterdrücken und den eigenen Einfluss auszuweiten." Von der Sicherheitskonferenz erhoffe er sich vor allem zu erfahren, wie andere Länder und Regionen mit den Herausforderungen umgehen, denen sie ausgesetzt sind. "In einer vernetzten Welt können Kriege, die Tausende Kilometer weit entfernt ausgetragen werden, Auswirkungen haben, die den ganzen Planeten erschüttern." Deshalb sei es wichtig, Sicherheit als ein gemeinsames Ziel zu betrachten: "Obwohl wir alle gewohnt sind, Sicherheit zu suchen, indem wir uns vor Bedrohungen durch andere schützen, sollten wir versuchen, sie als gemeinsames Gut zu betrachten." Bestes Beispiel sei Europa: Dort betrachten ehemalige Feinde ihre Sicherheit heute als gemeinsame Herausforderung.

© SZ vom 14.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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