Zoe - ein Film aus Dorfen:Kleines Budget, großes Kino

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In der Filmbranche kommt es auf Eigeninitiative an. Zwei junge Dorfner haben mit 23 Jahren ihre eigene Produktion, ihr neuester Streifen landete beim Freisinger Kurzfilmfestival auf dem zweiten Platz

Von Julia Kainz, Dorfen

Sie drehen Demoszenen für Schauspieler, Musikvideos und Werbe- oder Imagefilme für Firmen. Und nebenbei haben sie auch eigene Projekte: Kurzfilme. Leif Brönnle und Fabian Wildgrube aus Dorfen haben dieselbe Leidenschaft für das Medium Film. Zusätzlich ergänzen sie sich in ihren Kompetenzen - eine gute Voraussetzung für ein gemeinsames Produktionsunternehmen. Ratatøsk heißt es und wurde Ende 2015 von den beiden Dorfnern gegründet.

Zwei Schauspieler vor einem Greenscreen am Set des ausgezeichneten Kurzfilms Zoe. (Foto: Privat)

Im Oktober 2018 haben die beiden 23-Jährigen ihren aktuellen gemeinsamen Kurzfilm veröffentlicht: Zoe, ein Science-Fiction-Kurzfilm. Eine junge Frau ohne Identität und Erinnerung wacht darin in einem leeren Raum auf. Zwei Forscher überwachen sie aus einem Zimmer voller Monitoren. Die Frau erwartet eine Reihe von Tests, die sie an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit führen. Zoe zeigt die Entwicklung der beiden Filmemacher in den vergangen dreieinhalb Jahren, persönlich wie filmisch.

Das Endergebnis auf dem Plakat. (Foto: Privat)

"Über die Jahre entwickelt sich eine gewisse Routine, wir sind ein eingespieltes Team", erklärt Wildgrube. "Wir teilen unsere Aufgaben und können parallel arbeiten", fügt Brönnle hinzu. Da sich die beiden in ihren Interessen und Fähigkeiten ergänzen, funktioniert das gut: Wildgrube ist für das Technische zuständig. Erst wollte er Regisseur werden, entdeckte dann aber die Kameraarbeit für sich, absolvierte eine Ausbildung an der bayerischen Akademie für Fernsehen und studierte Medieninformatik. Brönnle ist eher der kreative Kopf von den beiden. "Während meiner Schauspielausbildung ist mir aufgefallen, dass mir das Schreiben mehr liegt als das Schauspielen", sagt er. Deshalb kümmert er sich um Drehbuch und Regie.

Das Making-Of mit den beiden jungen Dorfner Filmemachern von Ratatøsk, Leif Brönnle (links) und Fabian Wildgrube. (Foto: Privat)

Schwierigkeiten und Fehler gehören zur Entwicklung dazu. Das haben auch die beiden Dorfner erfahren. "Einmal haben wir einem Schauspieler bei einem Dreh in der Nacht schwarze Handschuhe gegeben. Das ist natürlich schwer auszuleuchten", erklärt Brönnle. "Und das Catering ist wichtig", fügt Wildgrube hinzu. Bei dem Dreh seines Films Fünf habe es zu wenig Essen gegeben. "Da wären mir fast alle abgehauen", erzählt er. "Damit steht und fällt die Moral", erklärt Brönnle. Da die Schauspieler auf freiwilliger Basis helfen und kein Geld bekommen, müsse man auf solche Dinge besonders achten.

Der Aufbau der selbstgemachten Kulissen. (Foto: Privat)

Eine weitere Schwierigkeit für die zwei jungen Filmemacher ist die Finanzierung ihrer Projekte. Bei all ihren Kurzfilmen handelt es sich um Low-Budget-Produktionen. Das heißt, sie arbeiten mit sehr geringem Etat. Ihre früheren Filme Fünf und Ratten haben zwischen 1 000 und 1 500 Euro gekostet. Wie sie berichten, haben sie die aus eigener Tasche gezahlt. Mit den Filmen erzielen sie allerdings keine Einnahmen. "Die Kurzfilme zeigen, was wir können", erklärt Wildgrube. Geld verdienen sie aber nur durch die Imagevideos und Demoszenen. Zoe ist der bislang aufwendigste Film der beiden und hat deutlich mehr gekostet als die anderen. Zwischen 10 000 und 12 000 Euro haben Brönnle und Wildgrube dafür ausgegeben. Die haben sie aber nicht nur aus eigener Tasche gezahlt. Durch eine Crowdfunding-Kampagne haben sie 2 500 Euro gesammelt. Sie erhielten außerdem eine Förderung durch die Stadt Dorfen und wurden auch von lokalen Betrieben unterstützt. "Von Firmen habe wir Rabatt auf Materialien wie Holz und Rigips für den Kulissenbau bekommen", erklären sie. Für die Location, eine Halle eines Schreiners, haben sie im Gegenzug einen kostenlosen Imagefilm für den Schreiner gedreht. "Eine Hand wäscht da die andere", erklären sie. Außerdem seien sie stark auf freiwillige Helfer und Schauspieler angewiesen.

"Wenig Geld muss man mit mehr Arbeit ausgleichen", erklärt Wildgrube. Hinter den 15 Minuten, die Zoe in etwa dauert, steckt eine Arbeitszeit von knapp zwei Jahren. "Wir machen das alles nebenbei, das dauert einfach lange", so Wildgrube. Und der Aufwand ist enorm: "Zuerst schreibe ich das Skript", erklärt Brönnle. "Bei Zoe habe ich den Grundentwurf in einem Tag geschafft, aber man sollte nie die erste Version nehmen. Das wird überarbeitet bis Version 13." Zwei Monate lang treffe er sich dann ein- bis zweimal pro Woche mit Wildgrube, um das Drehbuch zu besprechen. "Wir schauen, ob meine Ideen überhaupt umsetzbar sind, darauf achte ich beim Schreiben nämlich oft nicht", so Brönnle. Im Anschluss machen sie sich auf die Suche nach Location und Schauspieler. Bei Zoe haben sie das erste Mal Kulissen benötigt. Und da sie mit wenig Geld auskommen mussten, haben sie die selbst gebaut - das kostet Zeit. "Irgendwann steht dann der Drehtermin fest", so Wildgrube. Dann müsse alles vorbereitet sein. "Die zwei Wochen vor dem Dreh waren sehr stressig, da haben wir an die 14 Stunden täglich gearbeitet", sagt Brönnle. Nach zehn Drehtagen folgt die Postproduktion: Schnitt, Musik, Effekte, Nachvertonung und Farbkorrektur, ebenfalls mit mehrfacher Überarbeitung.

In ihren Filmen behandeln die Ratatøsk-Gründer eher ernstere Themen, Komödien haben sie noch keine gemacht. Außerdem wollen sie auf kleinere Geschichten eingehen, mit denen der Zuschauer etwas verbinden könne. "Es muss nicht immer die Weltrettung sein", erklärt Brönnle.

In der Filmbranche Fuß zu fassen ist nicht einfach. Wie die beiden Dorfner erklären, braucht man dafür vor allem eins: Eigeninitiative. "Man muss einfach irgendwo anfangen", so Wildgrube. "Man kann nicht nichts tun und darauf warten, dass man entdeckt wird." Brönnle ergänzt: "Und man braucht ein gesundes Maß an Pessimismus." Wie die beiden erklären, werden sie von anderen oft als "uneuphorisch" bezeichnet. "Dafür sind wir auf alles vorbereitet", sagt Brönnle. Und ihr Konzept funktioniert: Fünf und Ratten waren für den renommierten Camgaroo Award nominiert, im Januar wurden sie mit Zoe beim Freisinger Kurzfilmfestival in der Kategorie bayerischer Kurzfilm zweiter, im März folgt ein weiteres Festival. Irgendwann wollen sie auch einen Langfilm produzieren. Doch das dauert noch. "So ein Film kostet minimum 120 000 Euro", erklären sie. "Und das ist noch wenig." Jetzt stehe erst mal ein Musikvideo an.

© SZ vom 26.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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