Wartenberg:Kein Fall für das Strafrecht

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Staatsanwaltschaft stellt Verfahren wegen der Vorkommnisse in der Wartenberger Ganztagesintensivklasse ein. Aber: Geschlampt wurde nicht nur bei der Medikamentenabgabe, sondern auch bei der Abschlussprüfung

Von Wolfgang Schmidt, Wartenberg

Die Staatsanwaltschaft Landshut hat das wieder aufgenommene Verfahren wegen der Vorfälle in der Wartenberger Ganztagesintensivklasse (Gik) gegen alle Beschuldigten eingestellt. Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl sagte, auch nach dem Vernehmen weiterer Zeugen habe sich keine "strafrechtliche Relevanz" ergeben. Der Rechtsanwalt der Klägerin hat Akteneinsicht beantragt und will danach prüfen, ob er bei der Generalstaatsanwaltschaft in München Beschwerde einlegen wird. Der SZ sagte er, er könne sich vorstellen, dort durchaus Chancen auf Erfolg zu haben. Denn: "Bisher hat alles im Erdinger Saft gegart."

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ist "relativ viel nachermittelt worden". Weitere Schüler wurden vernommen und eine Betreuerin der Gik, die ebenfalls in die Vorfälle involviert war. Die angezeigte Beleidigung ist verjährt, Körperverletzungen wurden von den Schülern laut Staatsanwaltschaft bei der Befragung relativiert. So soll der Hauptbeschuldigte, der ehemalige Arbeitstherapeut, die Jugendlichen nicht vorsätzlich verletzt haben. Die Zusammenstöße seien eher im Rahmen eines Spiels erfolgt. Im Hauptpunkt, dem angezeigten Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, stellte die Staatsanwaltschaft fest, es habe keine strafrechtliche Relevanz, ein Medikament aus dem Vorrat eines anderen zu nehmen, wenn das verabreichte Medikament den gleichen Wirkstoff enthält. Unerheblich ist es nach Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass das Medikament von unterschiedlichen Firmen stammt.

Wiederum nicht gehört wurden der frühere Klassenlehrer der Gik und eine Sonderpädagogin, die den Stein ins Rollen gebracht hatten. Deren Beobachtungen über das Führen von Medikamentenlisten und das unsachgemäße Aufbewahren von Ritalin wurden von der Staatsanwaltschaft von vornherein als im strafrechtlichen Sinn nicht relevant eingestuft. Ebenso wurde auf eine Aussage des Leiters der privaten Wartenberger Heimvolksschule, an der die Gik angesiedelt ist, verzichtet. Als Fazit kann festgestellt werden: Es gab jede Menge Schlampereien, die aber nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht gravierend genug waren, um dagegen mit der Härte des Strafrechts vorzugehen.

Geschlampt wurde auch bei den Abschlussprüfungen, gegen deren Gültigkeit der Schüler und seine Mutter ebenfalls geklagt hatten. Bei der Prüfung war der Kläger am Quali gescheitert. Strittig ist, welchen Anteil die Nichtverabreichung seines Medikaments daran hatte. Zumindest im Fach Ethik wurde aber nach Feststellung der Regierung von Oberbayern eine Aufgabenstellung vorgegeben, die nicht zu lösen war. Deswegen wurde von der Aufsichtsbehörde die Abschlussnote von 3,3 auf 3,0 verbessert, was bedeutet, dass der Jugendliche die mündliche Prüfung wiederholen darf.

Unter den Vorgaben des Kultusministeriums hätte sein Mandant den Quali aller Umstände zum Trotz gleich geschafft, sagt dessen Anwalt. Der kann es nicht verstehen, warum ausgerechnet in der Gik strengere Maßstäbe angelegt würden, als es die Richtlinien für bayerische Mittelschulen vorsehen. Bekanntlich ist die Ganztagesintensivklasse die letzte Chance für lernunwillige Jugendliche, die dort eine wesentlich intensivere Betreuung erhalten. Dass man bei einem solchen Arbeitsaufwand für den Quali mehr Punkte erreichen müsse, als bayernweit üblich, ist für den Anwalt "keine gute Werbung".

Die Gik war für Buben aus dem Landkreis Erding gegründet worden, die an der Regelschule gescheitert sind. Heuer mussten erstmals die zehn zur Verfügung stehenden Plätze mit einem Bewerber aus Moosburg und einem aus dem Landkreis Landshut aufgefüllt werden. Die jeweiligen Jugendämter lassen sich die Unterbringung jeweils 6000 Euro pro Schüler und Jahr kosten, wie Hans-Rudolf Suhre, Leiter des Staatlichen Schulamtes in Erding, bestätigte. "Das ist halt so ein Jahrgang", bei dem Externe über eine Nachrückerliste zum Zuge kämen, um die gewünschte Klassenstärke zu erreichen, sagt Suhre.

Jenseits der strafrechtlichen Ebene sind wegen der Vorfälle gegen Suhre und den Leiter der Heimvolksschule bei der Regierung von Oberbayern noch Dienstaufsichtsbeschwerden anhängig, über die noch im April entschieden werden soll. Darüber hinaus haben die Grünen im Landtag einen Bericht über "die Missstände an der privaten Wartenberger Heimvolksschule" gefordert.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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