Wachstum als Herausforderung:Weiter denken

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Grünen-Sprecher Robert Bundt. (Foto: Gerhard Wilhelm)

Robert Bundt ist Sprecher der Grünen und blickt auf die Kommunalwahl im März

Von Sara Maria Behbehani, Erding

Mit Robert Bundt steht ein Soldat an der Spitze der Grünen in Erding, genauer: ein Personalstabsoffizier. "Ich bin in einer Demokratie aufgewachsen und für mich ist wichtig, sie für nachfolgende Generationen auch zu erhalten", sagt er. Die Teilung zwischen Ost- und Westdeutschland hat er, der in Lüneburg aufgewachsen ist - 50 Kilometer von der Grenze entfernt - unmittelbar miterlebt. Immer wieder stellte er sich vor, was wäre, wenn er nicht hier, sondern dort drüben groß geworden wäre. "Ich wäre in einem ganz anderen System aufgewachsen." Dadurch entstand nach dem Abitur, das er 1994 in Baden-Württemberg machte, der Wunsch zur Bundeswehr zu gehen, um "das zu erhalten, was man damals hatte."

Seit Mai ist Bundt Sprecher der Grünen in Erding. Dabei ist er der Partei erst 2017 beigetreten, nach der Bundestagswahl. Diese war für ihn, den Grünen-Wähler, Auslöser, um selbst Mitglied zu werden. Die Wahl habe den Willen des Volkes gezeigt, mehr im grünen Bereich zu tun. Längst ist der Aufschwung, den die Grünen im Bund erleben, in Erding angekommen. Bisher hat im Ortsvorstand der Grünen noch niemand ein Amt inne, doch Bundt ist sich sicher: "Das wird sich mit der nächsten Wahl ändern." Dann Verantwortung zu übernehmen, kann auch Bundt sich zumindest vorstellen. "Man geht in so einen Bereich, weil man auch Anteil daran nehmen möchte", sagt er. "Zu Beginn meiner beruflichen Karriere habe ich gesagt: Ich möchte die Demokratie schützen. Jetzt sage ich: Wir haben daneben noch andere Aufgaben."

Diese Aufgaben sieht er zum einen in Erding. Doch Bundt kommt auch immer wieder auf das große Ganze zu sprechen. Ihm ist es wichtig, die Zusammenhänge offenzulegen und zu zeigen, wie globale Veränderung beim Einzelnen beginnt. "Die Grünen sind keine Partei, die sich nur auf eine Legislaturperiode ausrichtet, sondern darüber hinausdenkt", sagt er. Das Konzept sei nachhaltig und in sich geschlossen. Dabei gibt er zu: "Das macht es aber auch so schwierig: Die Menschen über diese vier Jahre hinaus mitzunehmen und zu sagen: 'Wir müssen jetzt in die Zukunft denken.'"

Und so ist er immer wieder bemüht, den Blick zu weiten und Doppelmoral dort aufzuzeigen, wo sie besteht. Er kommt auf die Industrie zu sprechen, die in Deutschland zwar sauber sei, Deutschland aber schmutzige Industrie in andere, ärmere Länder bringe. Er spricht von Kleidung, die billig in ärmeren Ländern hergestellt und mit großen Schiffen, die mit Schweröl betankt sind, nach Deutschland gebracht werde. "Und wir können immer noch sagen: 'Das lohnt sich", wundert er sich und kritisiert, dass alles nur kurzfristig ausgelegt sei. Bei der Kleidung beispielsweise seien die Fasern viel zu kurz, es gäbe zu viel Polyester, zu viel Plastik. "Man zieht es an und dann wird es weggeschmissen." Er spricht von der Rodung des Regenwalds, vom Anbau von Palmöl, von den großen Themen, die mit Erding scheinbar nichts zu tun haben.

Aber dann auch doch. Denn Bundt richtet sich immer wieder an den Verbraucher, appelliert an seine Macht und Verantwortung. "Wir können leicht mit dem Finger auf andere zeigen, aber man muss auch fragen: Wo ist denn die Ursache?", sagt er und ist sich sicher, dass der Markt sich durch Angebot und Nachfrage reguliert. So entscheide der Konsument mit, was, wo und auf welche Weise produziert würde.

Von Verboten von oben hält er allerdings nicht viel und kommt auf den Veggie-Day zu sprechen. "Das war damals die Schlagzeile. Die Grünen waren die Verbotspartei." Dabei müsse nicht jeder Vegetarier werden, stellt er klar. Er selbst sei auch keiner. "Aber man könnte mal fragen: 'Müssen wir denn wirklich so viel Fleisch essen?'" Immerhin, so sagt er, sei die Gülleproduktion so hoch, dass 25 Prozent über die Kapazität gingen, die die Felder und Äcker aufnehmen könnten. "Wenn ich Wasser in ein Glas reingieße, ist es irgendwann voll. Wo soll das Ganze denn hin?", fragt er. Und zeigt einen Kreislauf auf: Durch die Gülle würde man in Kauf nehmen, dass das Grundwasser nitrathaltig würde. Daraufhin würde das Wasser teurer, da es zuerst gereinigt werden müsse. "Alles ist immer irgendwo ein Kreislauf", sagt er, "Was spricht dagegen, auf bestimmte Dinge zu verzichten?"

Wenn statt 100 Schweinen nur noch 75 gebraucht würden, dann könne man denselben Platz nutzen und eine artgerechte Tierhaltung sicherstellen. "Wir müssen weg von diesem Massenkonsum, weg von dieser Wegwerfgesellschaft", sagt er. Dafür brauche es jedoch ein transparentes System, bei dem der Verbraucher wisse, wofür er zahle. "Er ist ja bereit zu zahlen. Aber dann muss auch sichergestellt sein, dass man sich verlassen kann auf die Qualität." Zu oft sei der Konsument betrogen worden.

Und das nicht nur von der Wirtschaft, auch von der Politik. "Wir müssen zu dem, was wir gesagt haben, stehen", stellt er klar. "Wir müssen sehen, was gewollt und gefordert ist und das auch angehen." Vertrauen zurückzugewinnen, ist ihm wichtig. "Aber das ist ein langer Weg. Denn das Vertrauen hat man sukzessive verloren."

Für Erding sieht er in der Zukunft das immense Wachstum als Herausforderung. "Dass Erding wächst, ist auf der einen Seite gut, auf der anderen Seite haben wir einen immensen Flächenverbrauch. Da müssen wir uns Gedanken machen, ob zusätzliche Industriegebiete tatsächlich noch erforderlich sind. Zum anderen brauchen wir, wenn Erding wächst, auch Wohnraum." Dieser müsse gerade im Einzugsgebiet von München so gestaltet sein, dass es jedem möglich ist, in Erding zu wohnen. "Wohnraum und bezahlbare Mieten ist das, was uns am meisten betrifft", stellt er klar und möchte diese Themen angehen. Ob ihm das gelingen kann, wird sich nach der Kommunalwahl im März zeigen müssen.

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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