Verhandlung in Erding:Dreist wie die Panzerknacker

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Einbrüche, Schlägereien, Beleidigung: In Erding steht ein Einbrechertrio vor Gericht. Das Verlesen der Vorstrafen der drei Heranwachsenden dauert eine halbe Stunde.

Matthias Vogel

Ihr Vorgehen ist professionell. Zwei der Einbrecher steigen in eine Dorfener Schreinerei ein, entwenden in der Werkstatt einen elektrischen Trennschleifer. Anschließend wuchten sie einen Tresor mit einer Sackkarre aus dem Büro. Um den schweren Metallkasten abtransportieren zu können, stehen längst zwei Helfer bereit. Er wird in die Wohnung eines der Täter geschafft. Dort wird er mit dem Trennschleifer geöffnet. Die Beute - 800 Euro Bargeld - wird geteilt. Tresor, Sackkarre und Flex werden in einem Weiher versenkt.

Es ist der dreisteste Bruch einer bemerkenswerten Diebestour, für die sich drei junge Männer aus Dorfen und Sankt Wolfgang vor dem Erdinger Amtsgericht verantworten müssen. Richter Winfried Semmer sagt, was er von der Sache in der Schreinerei hält: "Das ist hoch kriminell, das ist... ...Panzerknacker." Das Urteil des Schöffengerichts ist konsequent. Saied A., 19 Jahre alt, muss für zweieinhalb Jahre hinter Gitter. Johann F., 18, und Giovanni P., 20, müssen sich bewähren, sonst blüht ihnen eine ähnlich lange Jugendstrafe.

Die Heranwachsenden haben in der Zeit zwischen Juni und Oktober 2009 insgesamt 14 Einbruchsdiebstähle begangen. F. war immer dabei, A. und P. ließen einige der Beutezüge aus, dafür tauchen in der Anklageschrift immer wieder Namen ebenfalls gerichtlich Verfolgter aus der Dorfener Clique auf. Die Angeklagten ließen sich noch mehr zu Schulden kommen. 2006 hat sich Saied A. als brutaler Schläger hervorgetan, einmal fuhr er außerdem ohne Führerschein aber mit 0,48 Promille Alkohol im Blut Moped. Johann F. leistete bei seiner Festnahme Ende Januar 2010 Widerstand gegen die Vollstreckungsbeamten, dazu beleidigte er sie auf das Übelste. Ein halbes Jahr lang saß er dann in Untersuchungshaft. A. nur einen Monat, kurz nachdem er in einer Taufkirchener Diskothek dem neuen Partner seiner früheren Freundin im Streit eine Wodka-Flasche über den Schädel gezogen hat, wurde er inhaftiert.

"Nur die Überschriften bitte, sonst brauchen sie zwei Stunden", sagt Semmer, als die Staatsanwältin die Anklageschrift verliest. Eine halbe Stunde braucht sie trotzdem, bis alle Delikte des Hauptverfahrens und der anhängigen Verfahren kundgetan sind. Ellenlang ist auch die Liste von Zeugen. Doch weil die drei Angeklagten geständig sind, können die meisten von ihnen wieder nach Hause gehen. Dennoch dauert die Verhandlung den ganzen Tag.

Die Diebe haben vor nichts Halt gemacht. Sie brachen ins Dorfener Gymnasium ein und erbeuteten 3000 Euro. In nur einer Nacht drangen sie in ein Autohaus und die Hauptschule in Dorfen ein, nach dem in einer Fahrschule weder Geld noch wertvolle Gegenstände zu holen waren. "Dazu gehört schon viel kriminelle Energie", sagte Semmer. Blumengeschäft, Kindergarten, Bestattungsinstitut, Apotheke: War ein Fenster einen Spalt weit auf, stiegen die jungen Männer sofort ein. Wenn nicht, wurden die Fenster aufgehebelt und alles von Wert eingeschoben. Im Tatzeitraum hätte in Dorfen und Sankt Wolfgang so ziemlich alles massiv verrammelt werden müssen. Insgesamt stahl das Trio über 15000 Euro, dabei richteten sie wohl einen Sachschaden in gleicher Höhe an.

So wahllos ihre Ziele, so eindeutig das Motiv der Einbrecher. "Wir brauchten Geld für Drogen", sagten sie. Zum "Abhängen" habe man sich immer auf dem Gelände der Dorfener Schulen getroffen. Dort seien die Taten dann spontan beschlossen worden, immer, wenn gerade kein Geld für Drogen da war. Gut vorstellbar, dass die Sucht der Angeklagten ordentlich zu Buche schlug. Pro Woche und Person seien fünf bis sechs Gramm Cannabis konsumiert worden. Schließlich wurden alle drei wegen schweren gemeinschaftlichen Diebstahls und Sachbeschädigung nach Jugendstrafrecht verurteilt. A. zusätzlich wegen gefährlicher Körperverletzung, F. zusätzlich wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte und Beleidigung. A. muss eine zweieinhalbjährige Jugendstrafe absitzen, Giovanni P. und F. bleiben auf Bewährung auf freiem Fuß. Im Falle von F. sprach das Schöffengericht eine Vorbewährung aus. In vier bis sechs Monaten fällt die endgültige Entscheidung, ob er eine letzte Chance bekommt oder auch für zwei Jahre eingesperrt wird. P. müsste für ein Jahr und neun Monate in Haft, verstieße er gegen die Bewährungsauflagen. Und die haben es für beide in sich: Bewährungshelfer, Drogenscreening, Sozialdienst, schriftlicher Nachweis zur Arbeitssuche, Anti-Aggressionstraining, ambulante Drogen-Therapie, Schadenswiedergutmachung. Semmer ermahnte die Verurteilten eindringlich, die Auflagen zu erfüllen: "Jetzt muss endgültig Schluss sein."

© SZ vom 12.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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