Veranstaltung von Bündnis AufgeMUCkt und Bund Naturschutz:"Fluglärm schadet der Gesundheit"

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Professor Thomas Münzel, Kardiologe an der Universitätsklinik Mainz, zeigt in Studien den Zusammenhang mit schweren Herzerkrankungen auf. Die meisten Politiker würden dies einfach "weggbügeln"

Von Johann Kirchberger, Freising

"Fluglärm macht krank". Nicht, dass die Zuhörer in der Luitpoldhalle das nicht schon längst gewusst hätten, am Montagabend bekamen sie das auch von einem anerkannten Wissenschaftler bestätigt. Thomas Münzel, Professor und Kardiologe an der Universitätsklinik Mainz hat eine Reihe von Studien angefertigt, mit denen der Zusammenhang zwischen Fluglärm und schweren Herzerkrankungen bewiesen wird. Die meisten Politiker aber, so bedauerte er, interessierten sich nicht dafür, "von denen wird alles weggebügelt".

Die Menschen seien heute viel empfindlicher gegenüber Fluglärm als früher, sagte Münzel. Fluglärm nerve mehr als Auto- und Bahnverkehr. Er verursache Ärger und Schlafstörungen, die zu chronischem Stress führten und der wiederum löse Krankheiten aus. Besonders in der Nacht verursache der Fluglärm psychische Störungen und Depressionen, führe zu Bluthochdruck, koronaren Herzerkrankungen, Schlaganfällen und schweren Herzstörungen bis hin zu tödlichen Herzinfarkten. Besonders anfällig für Herzkreislauferkrankungen seien Menschen über 65 Jahre. Der Stress lasse ihre Gefäße früher verkalken.

Münzel arbeitet seit 2004 an der Uniklinik Mainz, die direkt überflogen werde. "Ein Skandal", wie er sagt. Deshalb engagiert er sich in Initiativen, hat die Stiftung "Mainzer Herz" gegründet, redet auf Veranstaltungen wie der in Freising, zu der das Bündnis Aufgemuckt und der Bund Naturschutz eingeladen hatten, und hat schon 2012 in einer Studie bewiesen, wie Fluglärm der Gesundheit schadet.

Aussagen, wonach man sich an den Lärm gewöhne, wie auch beim Prozess gegen die 3. Startbahn vor dem Verwaltungsgerichtshof behauptet wurde, seien Blödsinn, sagt Münzel. Fluglärm lasse sich nicht ausblenden und verursache selbst dann Stress, wenn man davon nicht aufwache. "Wer behauptet, sich an Fluglärm gewöhnt zu haben, bezahlt das mit einem höheren Blutdruck". Nachgewiesen hat Münzel anhand von 75 Probanden, die Fluglärm ausgesetzt wurden, dass Lärmgestresste viel weniger körpereigenes Nitroglyzerin produzierten, das die Gefäße weich und weit halte. Erhöhtes Cholesterin brauche Monate für die gleichen Gefäßschäden, die der Fluglärm in zwei Tagen anrichte.

Münzel fordert deshalb ein uneingeschränktes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Ein Umfliegen von Siedlungen, Lärmpausen und Lärmobergrenzen. Um weniger Lärm zu erzeugen, sollten die Flugzeuge höher fliegen und steiler landen. Notwendig sei zudem ein Luftverkehrsgesetz, das die Anwohner von Flughäfen schützt und nicht die Betreiber. Verkehrsminister Dobrindt versuche derzeit mit seinem Luftverkehrskonzept genau das Gegenteil, wie zuvor in ihrem Grußwort auch Christine Margraf vom Bund Naturschutz angeprangert hatte.

Für Dobrindt, so Margraf, sei die Steigerung des Wachstums im Luftverkehr oberstes Ziel. Dafür wolle er die staatlichen Subventionen für den Luftverkehrssektor, die heute schon bei elf Milliarden Euro im Jahr lägen, weiter erhöhen. Dobrindt wolle die Luftverkehrssteuer reduzieren, hat die Senkung der Flugsicherungsgebühren beschlossen und sehe Nachtflugverbote als Wettbewerbsnachteile an.

25 Jahre Flughafen, das sei gleichbedeutend mit der Zerstörung wertvoller Natur, einer immensen Belastung mit Lärm und Schadstoffen wie Ultra-Feinstaub, Stickoxiden und krebserregenden Kohlenwasserstoffen. Naturzerstörung, Flächenversiegelung und Gesundheitsbelastung durch den Bau einer 3. Startbahn auch noch ausdehnen zu wollen, "ist verantwortungslos", sagte Margraf. Statt einer 3. Startbahn sei ein strikter Schutz der verbliebenen Moor-Bereiche und Schutzgebiet erforderlich, als Kaltluftentstehungsgebiete und Regenspeicher seien Moore gerade in Zeiten des Klimawandels wichtiger denn je. Denn der Verlust an Arten und Lebensräumen sei nach dem Klimawandel "eine der größten Bedrohungen für unsere Gesellschaft", so Margraf, "wir müssen diesen Verlust in unserem eigenen Interesse stoppen".

Die Belastung durch Lärm und Feinststaub hatte zuvor auch schon OB Tobias Eschenbacher als unerträglich bezeichnet. Er wünsche sich deshalb, dass die Diskussion über den Schadstoffausstoß von Autos endlich auch auf den Luftverkehr ausgedehnt werde. Um die Situation nicht noch weiter zu verschärfen, müsse auf die 3. Startbahn endgültig verzichtet werden. Die nämlich würde auch die städtebauliche Entwicklung Freisings stark einschränken und viele Menschen existenziell gefährden. Eschenbecher warnte auch davor zu glauben, wer weiter im Norden Freisings wohne, sei nicht betroffen. Das sei ein Trugschluss, "das könnte ein böses Erwachen geben". Gleiches gelte für die 25000 Jobs, die angeblich eine 3. Startbahn bringe. Das bedeute den Zuzug von rund 60 000 Menschen, sagte der OB. Das bringe zusätzliche Belastungen für die gesamte Region - noch mehr Verkehr und eine weitere Verschlechterung der Wohnungssituation.

© SZ vom 17.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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