Urteil in Erding:Sohn beißt Vater in die Hand

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Ein Familienstreit eskaliert: Ein 35 Jahre alter Mann beißt seinen Vater ins Handgelenk. Der geht daraufhin zur Polizei - nun hat das Amtsgericht den Sohn verurteilt.

Florian Tempel

Dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn Konflikt beladen und schwierig sein kann, ist ganz normal. Außergewöhnlich ist jedoch, wenn es so weit geht, dass ein erwachsener Sohn während eines handfesten Streits seinen Erzeuger ins Handgelenk beißt und der gebissene Vater sein eigenes Kind deshalb bei der Polizei anzeigt. Wegen einer solchen Körperverletzung hat das Amtsgericht Erding nun einen 35 Jahre alten Mann aus Sankt Wolfgang zu 600 Euro Geldstrafe verurteilt.

Der Angeklagte akzeptierte die Strafe und sagte, "ich sehe mein Unrecht ein". Nach seinem Bericht über die Vorgeschichte und die Hintergründe seines ungebührlichen Ausrasters stellte sich allerdings die Frage, warum die Staatsanwaltschaft Landshut den Fall überhaupt zur Anklage gebracht und nicht eingestellt hatte.

Der Biss in die Hand des Vaters am 15. Mai dieses Jahres war der Endpunkt und die Eskalation eines "seit gut 20 Jahre schwelenden Konflikts zwischen mir und meinem Vater", sagte der Angeklagte. Nachdem er als Kind in einem langwierigen Scheidungsverfahren "als Zeuge" ausgesagt und dabei offenbar für seine Mutter Stellung bezogen hatte, habe sein Vater mit ihm gebrochen. Sowohl in emotionaler wie finanzieller Hinsicht.

Im vergangenen Jahr war der Angeklagte in wirtschaftliche Not geraten. Nach einem vollständig selbst finanzierten Studium habe er keine Arbeit gefunden und Hartz IV beantragen müssen. "Ich wollte ja von ihm nichts geschenkt haben, aber ich verstehe nicht, warum er mir nicht ein bisschen unter die Arme greifen konnte."

In einem langen Gespräch mit einem Bekannten seines Vaters habe ihm dieser dann Mut gemacht, seinen Vater trotz ihrer seit Jahren schwierigen Beziehung um Hilfe zu bitten. Der Bekannte habe ihm sagt, "wenn du ihm deine Situation so erklärst wie mir, wird er dich sicher verstehen". Als ein anderer Freund ihn in ähnlicher Weise ermunterte, habe er sich ein Herz gefasst, "auf meinen Vater zuzugehen". Er habe "positiv gedacht, aber dann ist alles schief gegangen". Ihr Verhältnis sei eben zu zerrüttet und sein Vater "beim Thema Geld" wie erwartet "absolut unzugänglich" gewesen.

Sein Vater habe auf sein Anliegen "so abweisend, teilweise entwürdigend" reagiert, dass er die Nerven und seine Beherrschung verloren habe. In jenem Moment kamen offenbar über Jahre angestaute negative Emotionen hoch. Denn der Angeklagte sagte, "ich hab ihm da auch die Watschen zurückgegeben wollen, die er mir als Jugendlicher mehrmals und sehr intensiv verabreicht hat." Sein Vater wehrte sich sofort und drückte ihn "mit einem Ringergriff" zu Boden. Dann habe er die Hand, die ihn umklammerte, vor sich gesehen und zugebissen, um dem Haltegriff seines Vaters zu entkommen. Gleich danach habe er sich zwar entschuldigt. Doch sein Vater nahm die Entschuldigung nicht an - und ging zur Polizei.

Auch Vermittlungsversuche von Angehörigen halfen bis zuletzt nichts. So habe seine Tante erst vor einer Woche noch seinem Vater zugeredet, "das ist doch dein Bub, könnt ihr euch denn nicht wieder die Hand geben?" Sein Vater habe sich wortlos abgewendet und sei "ohne mich eines Blickes zu würdigen, ins Haus gegangen".

Nunmehr sei "der Bruch mit meinem Vater endgültig", sagte der Angeklagte, "und das ist auch gut so". Er arbeite mittlerweile mit Hilfe eines Psychotherapeuten "die Vergangenheit auf". Die psychologische Betreuung und die ärztliche Behandlung seiner zuletzt massiven Depressionen zeigten Wirkung. "Es ist jetzt damit vorbei, dass ich es meinem Vater recht machen und seine Aufmerksamkeit kriegen will".

Da der Sohn seine Verurteilung und Bestrafung letztlich klaglos annahm, musste der Vater nicht einmal vor Gericht aussagen. Richter Aksel Kramer würdigte das als kluge Entscheidung.

© SZ vom 21.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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