Umweltschutz:"Wir müssen es wollen"

Lesezeit: 3 min

Vor zwei Jahren begann Kirstin Wolf, ein Leben mit möglichst wenig Plastik zu führen. Nun gibt sie ihre Erfahrungen und ihr Wissen an andere weiter

Interview von Denis Pscheidl, Erding

Jeder Deutsche produziert laut dem Plastikatlas der Heinrich Böll Stiftung im Jahr 38 Kilo Plastikmüll. Nur knapp 16 Prozent davon werden wiederverwertet. Kirstin Wolf, aus Erding, lebt seit fast zwei Jahren so gut wie plastikfrei. Die 48-Jährige ist Eine-Welt-Promoterin sowie Jugend- und Berufscoach. Außerdem sitzt sie im Vorstand des Vereins "Bildung global und sozial". Am Dienstag erzählt sie in einem Vortrag von ihrem Alltag und wie man selbst am einfachsten auf Plastik verzichtet. Mit der SZ sprach sie schon vorher.

SZ: Wie sieht Ihr Alltag als Plastikvermeiderin aus?

Kirstin Wolf: Vor zwei Jahren habe ich einen Vortrag über plastikfrei leben gehört, da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Danach bin ich nach Hause gegangen und habe meine schlimmsten Plastikquellen gesucht. Als erstes sind mir die Einweg-Plastikflaschen aufgefallen. Die habe ich sofort abgestellt. Dann habe ich versucht Supermärkte zu finden, in denen man plastikfrei einkaufen kann. Das sind kleine Supermärkte, Bioläden und Unverpackt-Läden. Ich muss meinen Einkauf planen. Ein lustiges Beispiel ist Klopapier. Das gibt es in der Regel nur in Plastik. Im Internet habe ich dann einen Unverpackt-Laden in München gefunden, bei dem ich das auch im Karton bekomme. Jetzt kann ich natürlich nicht jedes Mal nach München fahren, wenn ich Klopapier brauche, sondern muss eine Großpackung kaufen, wenn ich in der Nähe bin. Aber nicht nur das Einkaufsverhalten hat sich verändert, auch der Haushalt. Waschmittel, Seifen und Shampoos muss ich um Beispiel selber machen, da die fast immer in Plastik verpackt sind und auch Mikroplastik enthalten, auf das ich sonst keinen Einfluss hätte.

Wie viel Plastik fällt bei Ihnen denn tatsächlich noch an?

Das kann man am besten an den gelben Säcken festmachen. Mein Mann und ich verbrauchen mittlerweile einen halben Sack im Monat. Bevor wir angefangen haben größtenteils plastikfrei zu leben, waren es zwei bis drei. Allerdings kamen da noch die Plastikflaschen hinzu, die nicht im gelben Sack landen, sondern wieder beim Supermarkt. Mit dem Unverpackt-Laden, den es bald in Erding gibt, wird das dann noch leichter.

Gibt es Dinge die Sie nicht mehr kaufen können und Ihnen besonders fehlen?

Zum Beispiel Lebkuchen oder Dominosteine. Ich liebe Dominosteine. Aber die gibt es nirgendwo ohne Plastikverpackung. Die muss man selber machen, aber dafür fehlt oft die Zeit. Auch Sauerrahm oder Schmand findet man nur in Plastikverpackungen. Für solche Produkte mache ich dann entweder eine Ausnahme, oder habe sie ganz aus meinem Haushalt verbannt. Kinderspielzeug ist auch fast immer aus Plastik, aber das kann man gebraucht kaufen, dann wird zumindest kein neues Plastik verbraucht.

Bei welchen Produkten lässt sich am einfachsten auf Plastik verzichten, wenn man den Müll schnell reduzieren will?

Am einfachsten geht das bei Produkten, die auch im Glas erhältlich sind. Aber bitte nur Mehrweggläser. Dann natürlich bei Plastiktüten. Hier soll es ab 2020 ein Verbot der klassischen Plastiktüte geben, aber die kleinen Hemdchenbeutel, für Obst und Gemüse, bleiben weiterhin im Umlauf. Stattdessen kann man einfach einen Jutesack benutzen und frische unverpackte Produkte kaufen. Für Fleisch und ähnliches habe ich mir Metalldosen zugelegt. Außerdem kann man mit einem Wassersprudler und Glasflaschen seinen Verbrauch an Plastikflaschen deutlich senken. Sehr viel Plastik kann auch einsparen, wer seine Spülmittel, Waschmittel und ähnliches selber macht. Ein absolutes No-Go sind Einweg-Kaffeebecher.

Ist es teurer plastikfrei zu leben?

Ja. Ich kann zwar etwas Geld sparen, indem ich einiges selber mache, aber meine Wasch- und Spülmaschine vertragen die selbstgemachten Mittel nicht so gut. Deswegen muss ich bei jedem dritten bis vierten Waschgang gekaufte Produkte benutzen. Da ich bei denen aber auch auf bio und unverpackt achte, sind die deutlich teurer als andere. Natürlich ist es auch teurer die ganze Zeit in Biomärkten einzukaufen. Mittlerweile haben aber auch große Supermärkte einige unverpackte Produkte im Sortiment.

Was muss die Politik tun um den Plastikmüll zu reduzieren?

Bewusstsein schaffen und aufklären. Es gibt in Deutschland immer noch zu viele Menschen, die nicht über die Gefahren des Plastikmülls Bescheid wissen. Mittlerweile hat man ja schon Mikroplastik in unseren Blutbahnen gefunden. Ein Verbot von Müllexporten, gerade in Länder mit niedrigen Umweltstandards, ist unerlässlich. Bleibt der Müll bei uns, muss man sich Gedanken über die Wiederverwendbarkeit machen. Recycling muss stärker gefördert und Unternehmen die Müll nicht sachgerecht entsorgen, sanktioniert werden.

Und was kann der Landkreis Erding selber besser machen? Ein ausgeklügeltes Recycling System gibt es ja bereits.

Das stimmt, hier wird bereits sehr viel getrennt. Aber der Landkreis kann Anreize bieten, um den Plastikmüll zu reduzieren. Beispielsweise könnte es honoriert werden, nur einen gelben Sack im Monat zu verbrauchen, anstatt zwei oder drei. Außerdem kann auch der Landkreis Aufklärungsarbeit leisten.

Die Politik ist nur eine Seite der Medaille. Was sind Ihre Forderungen an die Gesellschaft?

Jeder muss sich an die eigene Nase fassen und herausfinden, was man selbst besser machen kann. Die Verbraucher besitzen eine große Macht und wenn alle zusammen ihr Verhalten ändern, müssen Politik und Industrie nachziehen. Wir müssen es aber wollen. Viele Menschen wollen ja gar nicht auf Plastik verzichten, sondern packen alles doppelt und dreifach ein. Dabei sollten wir auch an unsere Kinder denken und in welchem Zustand wir ihnen unseren Planeten hinterlassen wollen.

"Plastikfrei leben? Das geht!" , Dienstag, 3. Dezember, 18 Uhr im Johannishaus, Kirchgasse 7. Anmeldung unter Telefon 08122/6063 oder E-Mail an zentrumderfamilie@kbw-erding.de

© SZ vom 02.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: