Umdenken:Energiegeladene Diskussion

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Große Photovoltaikanlagen entlang der Autobahn - wie hier an der A 92 in der Nähe von Freising - wären auch an der A 94 gut vorstellbar. (Foto: Siegfried Martin)

In Dorfen wird lebhaft darüber debattiert, ob und wie sich der komplette Energiebedarf der Stadt klimaneutral auf dem eigenen Gebiet produzieren ließe

Von Florian Tempel, Dorfen

Bei einem Vortragsabend des Vereins Energiewende Kreis Erding sind die Aussichten, ob und wie sich in der Stadt Dorfen der Ausstoß von klimaschädlichem CO₂ bis 2040 auf null reduzieren ließe, kontrovers diskutiert worden. Die Möglichkeiten einer lokalen Energiewende wurden im voll besetzten Jakobmayer-Saal aus ganz unterschiedlichen Aspekten beleuchtet.

Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, zeichnete ein pessimistisches Bild. Es sei unmöglich, ohne einschneidenden Verzicht den Klimawandel aufzuhalten. Doch die Menschen seien träge. Alle bisher ergriffenen Maßnahmen seien unzureichend, um die in internationalen Abkommen, auf Bundes- oder Landesebene ausgerufenen Ziele zu erreichen. "Im Beschließen sind wir echt gut, aber in der Umsetzung da hapert's gewaltig." Den 2012 im Klimabeirat des Dorfener Stadtrats gefassten Grundsatzbeschluss, dass die Stadt zum Selbstversorger mit regional erzeugter Energie werden sollte, belächelte Fischer. Selbst wenn es klappen sollte, wäre das nur eine vermeintliche Autarkie, die weitgehend unzulänglich wäre. Sein Lösungsvorschlag war umfassender: Jeder Bürger sollte ein persönliches CO₂-Kontingent erhalten, das auf einem individuellen Chip gespeichert werde. Wer mehr verbrauchen wolle, müsse dafür kräftig zahlen, indem er einem CO₂-Sparer von dessen Kontingent etwas abkaufe. Auf diese Weise werde sich, glaubt Fischer, Druck und Anreiz für individuelle Verhaltensänderung aufbauen. Er schlug vor, die Dorfener Bürger zu Probanden eines Pilotprojekts zu machen, das er und der bekannte Physikprofessor und Naturphilosoph Harald Lesch begleiten würden.

Ganz anders sah Gerald Forstmaier (GAL), Umweltreferent des Dorfener Stadtrats, die Aussichten: "Ich glaube, dass wir die Energiewende in Dorfen voranbringen können." Er stütze sich dabei auf die Analysen von Tim Liepold, der in seiner Masterarbeit untersucht hat, ob sich die Stadt bis 2040 autark mit Energie versorgen könnte. Beim Strom habe man die Vollversorgung mit grünem Strom "rein rechnerisch" schon geschafft, erklärte Forstmaier. Gleichwohl mache der Strom nur zehn Prozent des gesamten Dorfener Energiebedarfs aus. Die Hälfte der derzeit benötigten Energie verbrauchten die Dorfener zum Heizen, 40 Prozent für den Verkehr. Bei der Wärmeenergie sah Forstmaier noch viel Potenzial durch besser gedämmte Häuser. Die mit Holzabfällen betriebene Dorfener Nahwärme lasse sich zudem weiter ausbauen und effizienter nutzen.

Laut den Berechnungen von Liepold ließe sich mit Photovoltaik und Windkraft noch sehr viel Energie im Stadtgebiet erzeugen. Würde man ganz und gar nur auf Photovoltaikanlagen setzten, bräuchte man zur Deckung des gesamten Energiebedarfs 690 Hektar Fläche, bei der Windkraft wären es 800 Hektar. Liepold machte deutlich, dass die Zahlen nicht als Handlungsanweisungen, sondern als Größenordnungen zu verstehen seien, "die zum Denken anregen". Für Forstmaier zeigten sie aber auch, dass mit einem Mix aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen, Energieeinsparungen und energetischen Sanierungen etwas zu erreichen sei. Sein Credo: "Die Energiewende geht nur von unten aus, und nur, wenn wir alle mitmachen."

Als dritter Redner sprach Klaus Steiner, Geschäftsführer der Stadtwerke Dorfen. Er sagte zwar, "Autarkie ist für uns kein Wert für sich", den Dorfen sei "Teil einer vernetzten Welt". Allerdings sei auch für die Stadtwerke die "Energiewende eine Schicksalsfrage". Mit dem Vertrieb von Strom und Gas sei auf Dauer kein Gewinn mehr zu machen. Die Stadtwerke müssten deshalb verstärkt auf eigene Produktion, Kooperation und Beratung im Energiebereich setzen. Die noch getrennt gedachten Bereiche Wärme, Strom und Mobilität müssten gekoppelt und verzahnt werden. Glasfaserleitungen seien für eine "intelligente Vernetzung" eine Voraussetzung. Energie müsse künftig von privaten Haushalten, Betrieben und großen Anlagen im Freien produziert, verteilt und gespeichert werden. Er sah wie Forstmaier Möglichkeiten für Photovoltaikanlagen entlang der Autobahn A 94 und forderte, wie alle Redner, den Fall der 10H-Regelung, die den Bau von Windkraftanlagen faktisch unmöglich macht. Die Energiewende, so Steiner, "wird dezentral passieren".

Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) stimmte Steiner in diesem Punkt zu. Er gab jedoch zu bedenken, dass der Aufbau von Energieanlagen in "Flächenkonkurrenz" zur Landwirtschaft stehe. Politisch notwendig sei aber in jedem Fall "ein Umdenken in der Bauleitplanung".

© SZ vom 13.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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