Ukrainische Flüchtlinge im Landkreis Erding:"Mir geht es nicht schnell genug"

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Ankunft der ersten Flüchtlinge aus der Ukraine. Das Bild stammt vom Empfang Mitte März 2022 im Landratsamt Erding. (Foto: Renate Schmidt)

CSU-Integrationsbeauftragte Sosa Balderanou fordert mehr Sprach- und Integrationskurse für geflüchtete Ukrainer. Kritisiert wird auch die "Hürde Bürokratie". Lob gibt es für Ehrenamtliche.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Im Großen und Ganzen ist Sosa Balderanou, die Integrationsbeauftragte der CSU im Landkreis Erding, mit der Eingliederung der inzwischen mehr als tausend aus der Ukraine geflüchteten Menschen in Erding zufrieden. Aber es gibt auch Kritik und Wünsche. Sie sei sehr dankbar über die "enorme Hilfsbereitschaft der Bevölkerung", ohne die man "aufgeschmissen" wäre. Wenn diese nicht ihre Zeit zur Verfügung stellen würde, würde die Unterstützung und die Integration der Geflüchteten nicht funktionieren. Bemängelt werden von ihr fehlende Sprach- und Integrationskurse, sowie Fehler bei der Ankunft. So sei es jetzt ein Nachteil, dass man nicht wisse, welche beruflichen Fähigkeiten die Flüchtlinge mitbringen. Die habe man bei der Ankunft nämlich nicht abgefragt. Insgesamt geht ihr alles "einfach zu langsam".

"Die Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg"

"Die Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg", sagte Sosa Balderanou bei der CSU-Jahrespressekonferenz. Man müsse die Flüchtlinge dazu befähigen, selbständig zu leben. Es würden zwar vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) Integrationskurse angeboten, jedoch seien die Wartezeiten sehr lang, bis man einen Kurs belegen könne. Je länger man auf den Deutschkurs warten müsse, desto länger dauere die Integration und man müsse mehr Geld investieren, zum Beispiel für Wohnunterkünfte. Die Integrationsbeauftragte kann nicht nachvollziehen, dass es von September an lediglich 30 Integrationsplätze im Landkreis geben soll - bei tausend Geflüchteten. Je schneller diese die Sprache lernen würden, umso schneller könnten sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

"Wir haben einen Fachkräftemangel und was spricht dagegen, geflüchtete Menschen aus der Ukraine, die arbeiten wollen, dabei zu unterstützen, Arbeit zu finden", sagte Sosa Balderanou. Die Ukrainer und Ukrainerinnen seien vor Ort und warum könnten sie nicht beispielsweise bei der Flugabfertigung unterstützen, fragte die Integrationsbeauftragte. "Wir haben mehr als tausend geflüchtete Ukrainer im Landkreis und wenn man davon ausgeht, dass davon etwa ein Drittel arbeitsfähig wäre, hätten wir mindestens 333 Personen, die dem Arbeitsmarkt potenziell zur Verfügung stehen."

Einen Fehler habe man beim Empfang gemacht, fügte Sosa Balderanou hinzu: Dort hätte man gleich auch den Beruf beziehungsweise die Ausbildung der Ankommenden abfragen sollen. Diese Bestandsanalyse habe man versäumt. Jetzt müsse man mühsam alle abfragen, wie man es bei potenziellen Pflegekräften gemacht habe. Vier Personen hätten sich gemeldet. Ukrainische Geflüchtete müssen kein Asylverfahren abwarten. Sie erhalten direkt eine Aufenthaltserlaubnis mit dem Vermerk "Erwerbstätigkeit erlaubt". Damit dürfen sie arbeiten oder auch eine Ausbildung beginnen.

"Ich kenne genügend deutsche Bürger, die sich bei Formularen sehr schwer tun"

Ein großes Problem sei auch die "Hürde Bürokratie": Die Anträge seien nicht leicht zu verstehen, "da kommen auch Einheimische an ihre Grenzen". Auch wenn die Texte übersetzt seien, sei es oft sehr schwierig. "Ich kenne genügend deutsche Bürger, die sich bei Formularen sehr schwer tun, weil die Behördensprache viele Fachwörter enthält." Das zuständige Jobcenter würde zwar Geflüchtete bei der Ergänzung der Anträge unterstützen, aber das erfordere viel Zeit und Geduld und häufig würde es an den ehrenamtlichen Helfern hängen bleiben. Balderanou regte an, dass doch der international organisierte katholische Frauenverband Invia mehr wöchentliche Sprechstunden mit Übersetzer anbietet.

Leider, so Landrat Martin Bayerstorfer, habe der Staat vieles an sich gezogen, und damit festgelegt, wie und in welchem Maße eine Unterstützung aussehen soll, beziehungsweise darf. "Wir machen genau das, was der Gesetzgeber vorsieht", sagte Bayerstorfer. In den Flüchtlingsheimen des Freistaates habe man keine Einflussmöglichkeit, nur bei den vom Landkreis selber untergebrachten Menschen. Was die Registrierung betrifft, habe man nun eine eigene Dateneingabestation, was einige Probleme des Abgleichs behebe.

Ohne das Ehrenamt könne man vieles nicht bewältigen

Ohne das Ehrenamt könne man vieles nicht bewältigen, sagte auch die CSU-Heimatabgeordnete und bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales Ulrike Scharf. Sie habe mit vielen Geflüchteten gesprochen und es sei keine einfache Aufgabe, jeden gleich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, da viele vom Krieg traumatisiert seien. Viele würden inzwischen auch wieder in die Ukraine zurück kehren. Sie wollten auch nicht hier bleiben, so Ministerin Ulrike Scharf.

"Wir haben noch total viel Arbeit vor uns, aber ich lasse mich nicht abschrecken. Gemeinsam können wir es schaffen", sagte Sosa Balderanou in der Jahrespressekonferenz. Mit "Gemeinsam" meine sie alle ehrenamtlichen Helfer und die Behörden. "Denn nur zusammen können wir ans Ziel kommen." Manchen Unmut der Helferinnen und Helfer könne sie sehr gut verstehen und es stimme, dass nicht alles so laufe, "wie auch ich mir vorstelle, dass es laufen sollte". Viele würden auch nicht verstehen, welche Zuständigkeiten es gibt, viele hätten sich wohl auch nicht mit der Thematik auseinander gesetzt, was es bedeute, Flüchtlinge privat aufzunehmen. Das Fazit der Integrationsbeauftragten: "Wir sind auf einen guten Weg, aber mir geht es nicht schnell genug."

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