Theater im Jakobmayer:House of Cards im alten Rom

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In einer opulenten Besetzung zeigt das Stück, wie geschickte Populisten, wie der römische Triumvir Mark Anton, die Bevölkerung manipulieren. (Foto: Jana Zellmer)

Mit "Julius Cäsar" und "Antonius und Cleopatra" setzt Regisseur Andreas Wiedermann mit einem Shakespeare-Doppelschlag seine theatralische Erkundung politischer Macht fort. Er zeigt auf, was die römische Kaiserzeit mit unserer Gegenwart zu tun hat

Von Thomas Jordan, Dorfen

Andreas Wiedermann ist ein genauer Beobachter des Zeitgeistes. Wenn der Straubinger Regisseur über seine neue Inszenierung von Shakespeares "Julius Cäsar" und "Antonius und Cleopatra" spricht, dann klingt das mehr nach Trump und House of Cards als nach elisabethanischen Stehkrägen. "Welche Verantwortung hat der Einzelne in einer beginnenden Autokratie?", lautet die zentrale Frage des zweiten Teils von Wiedermanns "Trilogie der Macht". Das Doppelstück ist am Freitag, 13. April, um 19.30 Uhr im Dorfener Jakobmayer zu sehen.

In seiner Trilogie der Macht will Wiedermann das politische und gesellschaftliche Bewusstsein der Gegenwart mit den Mitteln des Theaters analysieren. Beim ersten Teil stand "Macbeth"auf dem Spielplan. In mittelalterlicher Szenerie ging es um die Verführbarkeit der Macht, darum, wie ein Mensch an der eigenen Machtfülle grandios zugrunde geht. Der zweite Teil spielt nun in der Welt der Anzugträger. Es geht um politische Strategien und Taktiken der Macht, die immer wieder von privaten Interessen durchdrungen werden. Um "Koalitionsbestrebungen und Charisma und zum großen Teil um Narzissmus und Imagepflege", wie es Wiedermann selbst formuliert.

Dazu hat der 39-jährige Regisseur zwei Shakespeare-Dramen miteinander kombiniert, die beide eher selten auf dem Spielplan der Bühnen in Deutschland stehen. "Julius Cäsar" und "Antonius und Cleopatra" thematisieren den Übergang von der Republik zur frühen Kaiserzeit im alten Rom. Im Zentrum steht der Cäsarfreund Mark Anton, der im ersten der beiden Dramen mit einer flammenden Rede vor Cäsars Leichnam den Weg für die erste Dreimännerherrschaft in Rom bereitet. Der Triumvirn fühlt sich dann aber, wie es Wiedermann formuliert, im zweiten Stück "in Kleopatras Bett so wohl fühlt, dass er seine gesamten Regierungspflichten vernachlässigt." Damit ist der Weg frei für die Alleinherrschaft Octavians, des späteren Kaiser Augustus. Und die Republik gehört endgültig der Vergangenheit an.

Bis es in der Handlung so weit ist, will Wiedermann in seiner Inszenierung herausarbeiten, wie brüchig der republikanische und zivilisatorische Firnis nicht nur im alten Rom ist, der die Gesellschaft überzieht. Etwa an Szenen wie derjenigen, in der Mark Anton das Volk mit populistischem Talent und einem getürkten Testament gegen die Republikaner aufbringt und so der Dreimänner-Oligarchie den Boden bereitet. "Auf ganz perfide und gefährliche Weise" zeige sein Doppelstück "die grundsätzliche Neigung des Menschen zur geistigen Führerschaft", sagt der Regisseur. Oder, mit anderen Worten: Republik und Demokratie sind keine Automatismen.

Um diesen Grundgedanken herauszuarbeiten hat Wiedermann die Dramen-Vorlagen radikal gekürzt und die Figuren reduziert. Es sollen nun eher szenische Schlaglichter aus "Julius Cäsar" und "Antonius und Cleopatra" sein, bei denen an einigen Stellen auch die Dramaturgie umgestellt wird. Trotzdem dauert das Doppelstück mit Pause etwa vier Stunden. Von der Länge sollte man sich aber nicht abschrecken lassen, ganz im Gegenteil, wie Wiedermann betont: "Bei zwei Stücken haben Sie die Chance, besser in die Figurenwelt einzutauchen. Und umso besser verstehen Sie sie auch." Die vier Stunden könnten auf diese Weise sehr kurz werden, verspricht Wiedermann. Dabei kommt ihm auch der komische Gehalt des zweiten Stücks zu Gute. "Antonius und Cleopatra" soll bei ihm "wie eine Sitcom" beginnen, "mit einer eifersüchtigen Kleopatra und einem ihr völlig hörigen Mark Anton."

Wiedermanns Anspruch, eine "moderne Sicht auf historische Kontexte zu zeigen" erfüllt sich bei Shakespeare aber nicht nur auf einer inhaltlichen Ebene. Den Zusammenhang der beiden Dramen, der schon beim englischen Nationaldichter angelegt ist, greift der Regisseur auch dramaturgisch und inszenatorisch auf. "Shakespeare ist der erste Autor, der das Serienformat eingeführt hat, Netflix sozusagen." Dadurch, dass der Engländer ein so großes Figuren- und Stückarsenal geschaffen habe, seien manche Stücke nur im Kontext verstehbar.

Mit seiner 25-köpfigen Truppe aus Profischauspielern von Theater Plan B und vielen Laien kommt Wiedermann der Größe der historischen Shakespeare-Compagnie sehr nahe. Ein personeller Aufwand, der an Stadttheatern kaum zu stemmen wäre. Im Dorfener Jakobmayer ist es möglich.

Der für die Aufführung am 13. April umgestaltete ehemalige Wirtshausballsaal erinnert den Regisseur mit seiner Galerie und seinem rustikalen Charme an Shakespeares Heimspiel-Stätte, das Londoner Globe-Theater. Für ihr Spiel nehmen sich die Theatermacher dabei mit einer etwa acht Meter in den Raum reichenden Bühne viel Platz. Das Bühnenbild selbst zitiert, passend zum Stoff, mit zwei ineinander verschobenen, jeweils zwei Meter 60 hohen Wänden, die antike römische Bühne. Und bricht das Zitat gleich wieder mit den davor stehenden Ledersesseln, die eher an die gegenwärtige Kaffee-Latte-Bürowelt erinnern.

Der Straubinger Regisseur hat in den vergangenen Jahren mit seinen aufwendigen und experimentellen Aufführungen an ungewöhnlichen Orten für Aufsehen gesorgt. So brachte er zum Beispiel mit seiner Opernformation Opera Incognita George Bizets Carmen mit Orchester in dem Münchner Szeneclub MMA auf die Bühne. Bei seinem Shakespeare-Doppelschlag verzichtet er nun auf Live-Musikbegleitung, der Sound kommt diesmal vom Band. Das macht laut Wiedermann aber gar nichts. Denn für den Regisseur ist der englische Dramatiker in seinen Stücken selbst Rock'n'Roller genug: "Er ist die Beatles, Rolling Stones und Elvis in einer Person für die Dramengeschichte."

© SZ vom 29.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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