Zum Gedenken an Suizidopfer:Bäume gegen das Stigma

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Ein "Baum der Erinnerung" sowie ein Gedenkstein für Suizidverstorbene wurden kürzlich an der Max-Kraus-Straße/Ecke Friedrich-Herbig-Straße angelegt. (Foto: Renate Schmidt)

Die Erdingerin Ildiko Wittner hat vor drei Jahren ihren Sohn durch Selbsttötung verloren. Sie engagiert sich im Verein "Trees of Memory", der Betroffene unterstützt und zugleich der Toten gedenkt. Nun steht auch in Erding ein "Baum der Erinnerung".

Von Johannes Elle, Erding

Der Tod ist ein Thema, das jeden begleitet, jedoch oft verdrängt wird. Oft kommt dieser erwartet, wie im hohen Lebensalter, aber in vielen Fällen, wie bei Unfällen oder schwerer Krankheit, auch plötzlich und wie aus dem Nichts. Doch über einer Art des Sterbens, hängt weiterhin der Schleier des Tabus: Dem Suizid. Auch heute noch ist es bei vielen verpönt, über das freiwillige Ausscheiden aus dem Leben zu reden. Eine Betroffene aus dem Landkreis möchte dem nun entgegenwirken.

Ildiko Wittner ist Mitglied des Vereins "Trees of Memory", der Nahe- wie Außenstehenden das Thema nahebringen möchte und für jedes Suizidopfer einen Baum der Erinnerung pflanzt. Dem Verein zufolge wurden im vergangenen Jahr 15 "Bäume der Erinnerung" gepflanzt, darunter in Bad Aibling, Gera, Biberach und Würzburg. Am vergangenen Sonntag wurde nun auch Tree of Memory in Erding an der Friedrich-Herbig-Straße gepflanzt. An diesem Tag ging es um den 17-jährigen Felix, den Sohn von Ildiko Wittner, welcher vor drei Jahren Suizid beging und nun seinen eigenen Baum der Erinnerung bekam.

Noch immer herrschten Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen oder Suizid

Wie Ildiko Wittner auf Nachfrage der SZ erklärt, war das Pflanzen des Baumes für sie nicht nur eine emotional wichtige Angelegenheit, mit der sie besser Hoffnung schöpfen und mehr Frieden finden konnte. Das Projekt in Erding sei auch im Sinne der Arbeit des Vereins, so Wittner, da sie die Möglichkeit hatte, mit Personen ins Gespräch zu kommen und so zur Entstigmatisierung sowie zum besseren Verständnis für das Thema beizutragen.

Die Bäume übernehmen hierbei eine symbolische Rolle, erklärt Ildiko Wittner: Sie stehen sinnbildlich für den Kreislauf des Lebens, den man an einem Baum im Verlaufe der Jahreszeiten nachvollziehen kann. So soll unter anderem das Ergrünen im Frühjahr als Metapher für die Entstehung von etwas Neuem und Guten aus der Trauer und dem Schmerz fungieren, und das Wirken des Baumes als Weiterleben trotz Ablebens gesehen werden. Gleichzeitig sollen die gepflanzten Bäume aber auch ein Mahnmal dafür sein, dass der gesellschaftliche Umgang mit psychischen Erkrankungen oder Suizid weiterhin stark mit Vorurteilen belastet ist, betont Ildiko Wittner. Durch ihre Präsenz sorgen die Bäume für eine ständige Sichtbarkeit der derzeitigen Zustände.

Dass der Baum im Neubaugebiet am Poststadl steht, sei "goldrichtig"

Für Wittner und den Verein ist es wichtig, Leuten mit Suizidgedanken aufzuzeigen, dass es doch jemanden gibt, der helfen will, und der einen Weg zurück ins Leben aufzeichnet. Laut ihr blieben im Suizidfall sechs bis 20 nahe betroffene Hinterbliebene zurück. Im Vorfeld, so schreibt Ildiko Wittner, haben sich bereits drei Personen an sie gewandt, bei der Zeremonie in Erding kamen zwei weitere Betroffene aus dem Landkreis dazu - "durch meinen offenen Umgang mit der Thematik", vermutet sie.

Dass der Standort des Baumes im Bereich des Poststadl-Areals liegt, kam für die Erdingerin "wie eine Fügung". Die Platzierung im Neubaugebiet sei "goldrichtig", denn der Baum liege auf dem Schulweg ihrer Kinder, wo er nicht nur für die Erinnerung an den Verstorbenen, sondern auch für die Sichtbarkeit des Anliegens stehe.

An der Pflanzung, die von Wittner geplant und initiiert wurde und bei der auch Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) zugegen war, sind die Stadt Erding, das Landschaftsarchitekturbüro Lex-Kerfers sowie die Gärtnerei Georg Thalmeier beteiligt, welche die Kosten für den Baum und das Pflanzen übernommen haben. Dafür ist Ildiko Wittner sehr dankbar. Denn im Normalfall spende ein Baumbesteller einen Festbetrag an den Verein, damit dieser mit dem Budget eine Pflanzung organisieren kann.

Neben "Trees of Memory", welcher seit 2017 nicht nur das Thema näherbringen möchte, sondern auch psychologische Unterstützung anbietet, gibt es eine Reihe von verschiedenen Anlaufstellen, bei welchen sich Betroffene Hilfe suchen können. Die Telefonseelsorge ist jederzeit unter 0800/1110111 erreichbar und versucht, im akuten Fall bestmöglich weiterzuhelfen.

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