Soziales Engagement:"Ich dachte mir, das kann ich"

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Wie Brigitte Niedermeier 1990 Bürgermeisterin von Attenkirchen wurde und was sie bis heute antreibt

Interview von Katharina Aurich, Attenkirchen

Brigitte Niedermeier, die 24 Jahre Bürgermeisterin von Attenkirchen war und noch immer für die Freien Wähler im Kreistag sitzt, blickt zufrieden auf anstrengende Jahre zurück. Sie sei ein Teamplayer, politische Entscheidungen habe sie immer mit ihren Kollegen besprochen, aber sie scheue sich dann nicht, auch alleine dafür einzutreten und sie zu verteidigen. Jetzt, vier Jahre nach dem Ende ihrer Amtszeit, schöpft sie aus einem reichen Erfahrungsschatz und nutzt ihre vielfältigen Kontakte für ihr soziales Engagement.

SZ: Wie wurden Sie als Mutter zweier junger Söhne 1990 Bürgermeisterkandidatin im ländlichen Attenkirchen ?

Niedermeier: Damals herrschte in der Gemeinde eine Art Aufbruchstimmung, junge Eltern wollten längere Kindergartenöffnungszeiten oder eine Betreuung in den Ferien - auch ich gehörte zu diesem Kreis. Allerdings wurde dann mein Mann Paul von der Bürgernahen Gruppe gefragt, ob er für den Gemeinderat kandidieren wolle. Er lehnte ab. Ich arbeitete damals halbtags als Hauptkassenleiterin bei der Post in Freising und dachte mir, dann mache ich es. Doch um Einfluss zu gewinnen und Veränderungen durchzusetzen brauchte die Gruppierung auch einen Kandidaten für das Bürgermeisteramt. Kein Mann wollte es machen, weil das damals noch ehrenamtlich war und man nicht viel verdiente. Ich dachte mir, das kann ich - und überzeugte die zunächst skeptischen Kollegen. Es war ein Versuch, denn der Wahlausgang war ja völlig offen.

Wie haben Sie dann als Neuling die Wählerinnen und Wähler überzeugt?

Durch Klinkenputzen. Wir von der Bürgernahen Gruppe gingen immer zu zweit von Haus zu Haus, vor allem auch in den kleineren Ortschaften, und fragten, ob wir hereinkommen und unsere Ziele vorstellen dürfen. Die Menschen waren sehr offen, aber es kostete natürlich sehr viel Zeit.

Was hat Sie damals besonders überrascht als neue Gemeindechefin?

Ich musste mich um alles selber kümmern, von Verträgen mit den Mitarbeitern bis zum Klopapier, um die Putzfrauen und um den Bauhof. Vor allem die technischen Aufgaben, der Kanalunterhalt oder die Straßensanierungen, waren vollkommen neu für mich. Vieles hat sich zum Glück verändert. Zum Beispiel ist es heute selbstverständlich, dass wir auch behinderte Kinder in unseren Kindergarten aufnehmen und die Kinder bis nachmittags betreut werden. Das alles war 1990 noch undenkbar.

Sie haben für ein Dorfzentrum gekämpft und dafür viel Kritik einstecken müssen. Würden Sie das noch einmal machen?

Ja. Ich war überzeugt, dass es richtig ist, viel Geld in die Hand zu nehmen und aus dem heruntergekommenen Anwesen in der Ortsmitte ein lebendiges Zentrum zu machen. Es gab ja dann auch hohe Zuschüsse. Als Bürgermeisterin muss man Verantwortung übernehmen und entscheiden, was für einen Ort wichtig ist und das dann auch durchsetzen. Mir war immer wichtig, mit meiner Meinung voranzugehen, aber ich lasse mich auch überzeugen, wenn jemand bessere Argumente hat.

Sie haben mit 62 Jahren nicht mehr für eine vierte Amtszeit kandidiert. Ihr Nachfolger ist auch von der Bürgernahen Gruppe, konnten Sie das Amt ganz loslassen?

Das muss man, ich halte mich aus der Gemeindepolitik völlig heraus. Natürlich kann mich jeder um Rat fragen. Das Schöne ist, dass ich weiter aktiv sein, aber mir aussuchen kann, was ich machen möchte.

Für die Senioren im Ort engagieren Sie sich seit 2007 mit der Gründung des Attenkirchener Senioren-Services. Braucht es eine solche Institution auf dem Dorf?

Ja, natürlich. Die älteren Bürger freuen sich, wenn sie aus dem Haus kommen, sich zurecht machen und Gleichaltrige zum Beispiel zum Kartenspielen, bei der Gymnastik oder zum Singen treffen. Einmal in der Woche gibt es Kaffee und Kuchen und in jedem Sommermonat einen Ausflug. Die Resonanz auf diese Angebote war von Anfang an sehr groß.

Was war Ihre Motivation, sich auch im Flüchtlingshelferkreis zu engagieren?

Mir geht es um den Frieden in der Gemeinde, dass es hier keine Übergriffe auf Geflüchtete gibt. Für mich ist der Kontakt mit den Geflüchteten außerdem auch eine große Bereicherung, man gibt ein wenig von seiner Zeit und bekommt viel zurück. Zu uns kamen afrikanische Familien, für eine junge Frau mit Kind habe ich eine Patenschaft übernommen. Außerdem leben jetzt junge Männer aus Afghanistan bei uns. Sie haben alles hinter sich gelassen, das macht keiner freiwillig, sie haben keine Mama mehr, die sie umsorgt und ihnen ist fad, weil sie nicht arbeiten dürfen. Es hat mich dann total überrascht, wie man in der Ausländerbehörde hier mit den Menschen umgeht - kleinkrämerisch, ohne Wohlwollen. Und ich bin entsetzt, wie viele Formulare die Flüchtlinge ausfüllen müssen, das war auch für mich eine Herausforderung, obwohl ich doch Verwaltung gelernt habe.

Ihr Engagement für die Flüchtlinge gefällt vermutlich nicht allen Bürgern. Wurden Sie schon kritisiert?

Nein, direkt sagt das keiner zu mir. Ich rede mit allen Bürgern, aber wenn jemand rechte Parolen von sich gibt, dann halte ich dagegen.

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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