Schule:"Ich habe die Entscheidung keinen Tag bereut"

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Petra Leubner vor der neuen Fassade der Mittelschule am Lodererplatz. Die langjährige Rektorin ist begeistert, auch von der Gestaltung der Innenräume. Der Abschied fällt ihr gar nicht leicht. (Foto: Renate Schmidt)

Petra Leubner sah sich zunächst als Lehrerin auf dem Gymnasium, dann schwenkte sie auf Mittelschule um. Ihre erste Station war die Mittelschule am Lodererplatz in Erding und dort ist sie auch geblieben. Nach zwölf Jahren als Rektorin geht sie nun in den Ruhestand

Interview von Regina Bluhme, Erding

"Jetzt wird's ernst", sagt Petra Leubner, sie lächelt und dann seufzt sie. Die Rektorin der Mittelschule am Lodererplatz wird zum Ende dieses Schuljahrs aufhören. Der Abschied fällt ihr nicht leicht. Zwölf Jahre hat sie die Erdinger Schule geleitet, vor wenigen Wochen hat die 65-Jährige noch das neue Büro im frisch sanierten Langbau bezogen. Am kommenden Donnerstag steht die Verabschiedungsfeier an. Im Gespräch mit der SZ erzählt Petra Leubner, wie sie als Gymnasiallehrerin an die Mittelschule kam, warum sie von dort nie mehr weg wollte und was sie jetzt nach dem Ende ihrer Schulzeit alles vor hat.

SZ Erding: Frau Leubner, haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was Sie bei der Abschiedsfeier sagen werden?

Petra Leubner: Die Rede steht. Ich werde da auch auf meinen Werdegang eingehen.

Erzählen Sie doch mal.

Also, ich habe mein Diplom fürs Lehramt 1976 in Leipzig gemacht. Ich komme aus der Oberlausitz. Wissen Sie, wo da ist?

Oje. Bei Berlin?

Nein, das ist die Niederlausitz. Die Oberlausitz liegt Ecke Zittau, Bautzen, Görlitz. Ich komme also aus dem tiefsten Osten. Zehn Jahre habe ich als Lehrerin in Zittau gearbeitet, bis mein Mann und ich 1986 einen Ausreiseantrag gestellt haben. Die gesellschaftliche Situation, auch der Bereich Schule, war einfach unerträglich. Da hatte ich dann von einem Tag auf den anderen Berufsverbot, dazu kam Stasiverhaftung und Repressalien.

Wie lange ging das?

Zwei Jahre bis zur Ausreise. Das waren zwei lange Jahre. Ich habe versucht, Jobs zu bekommen. Habe auch als Verkäuferin in einem Privatgeschäft gearbeitet. Dann konnten wir nach Nordrhein-Westfalen ausreisen, von dort sind mein Mann und ich nach Bayern. Mir wurde gesagt, dass ich mit meinem Fach Deutsch am Gymnasium keine Chance habe, Mathe und Physik waren schon damals gefragt, aber damit konnte ich ja noch nie was anfangen.

Wie sind Sie dann zur Mittelschule gekommen?

Na ja, eigentlich wollte ich ja nicht an die Mittelschule. Aber bei den Stellen sah es gut aus, also bin ich umgeschwenkt. Weil meine Abschlüsse nicht anerkannt wurden, musste ich noch ein Referendariat machen. Und wissen Sie wo? An der Mittelschule am Lodererplatz! 1990 bin ich gekommen und seitdem bin ich da. Und ich habe meine Entscheidung nicht einen Tag bereut!

Mittelschulen haben aber nach wie vor kein besonders gutes Image.

Ich sage: Die Mittelschule bietet ein gutes Angebot für Schüler, die einfach ein bisschen länger Zeit brauchen. Und sie bietet Chancen. Gerade unser M-Zweig ist sehr gefragt. Wir haben heuer drei zehnte Klassen, 16 Schüler davon gehen auf die FOS, drei in die Vorbereitungsklasse am Korbinian-Aigner-Gymnasium. Unsere Schüler finden auch gute Ausbildungsberufe. Wir haben drei Sozialpädagoginnen an der Schule und wir wollen jeden Schüler so gut es geht unterstützen.

Im Landtag waren kürzlich die Mittelschulen ein Thema. Tenor: Diese Schulen haben's schwer wegen der Schülerklientel.

Unser Leitbild ist die Sozialwirksame Schule: Wir setzen auf ein respektvolles, gutes Miteinander. Und dafür haben wir feste Regeln, die die Schüler auch akzeptieren.

Wie schaffen Sie das?

Das liegt, glaube ich, auch daran, dass bei uns eine gute Atmosphäre herrscht. Ich war vier Jahre Konrektorin, jetzt zwölf Jahre Rektorin. Da war es mir ganz wichtig, dass wir Kollegen gut zusammenarbeiten. Meine Tür stand immer offen - für Lehrer und für Schüler. Mit meinem Konrektor Stephan Treffler hatte ich auch Glück, wir haben uns immer gut verstanden. Es freut mich sehr, dass er mein Nachfolger wird. Da weiß ich meine Schule in guten Händen.

Es tut sich ja grade einiges. Der erste Sanierungsabschnitt ist fertig, die Zimmer der neunten und zehnten Klassen haben keine Türen und führen auf einen gemeinsamen "Marktplatz".

Die neuen Räume sind toll! Ich bin froh, dass ich das Konzept der "Lernlandschaften" noch einführen konnte. Die Raumeinteilung ermuntert zur Teamarbeit und zum selbständigen Arbeiten und das ist im Berufsleben enorm wichtig. Der Stadt Erding als Träger bin ich natürlich auch sehr dankbar für die Unterstützung. Wir haben immer gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet.

Ihr neues Büro können Sie leider nur wenige Wochen nutzen.

Ja, aber immerhin bin ich noch mit umgezogen. 2020 soll ja dann der Ausbau fertig sein. Ich hoffe doch, dass ich zur Einweihung der Räume eingeladen werde. Aber da bin ich ganz zuversichtlich.

Sind sie auch so zuversichtlich über die Zukunft der Mittelschulen?

Also über die Lodererschule mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Wir haben aktuell 430 Schüler, im kommenden Schuljahr drei neue fünfte Klassen. Unser Angebot ist groß von M-Zug, Regelklassen über gebundene Ganztagesklasse bis zur Praxisklasse.

Den Lehrermangel spüren Sie nicht?

Doch. Es ist nicht einfach, die entsprechenden Lehrerstunden zu bekommen und es ist schwierig, jedes Jahr den Stundenplan so zu gestalten, wie wir es uns wünschen.

Auch nicht gerade förderlich, dass Mittelschullehrer weniger verdienen als in anderen Schularten.

Also das finde ich wirklich nicht richtig. Daran hängt doch auch die Wertschätzung in der Öffentlichkeit, finden Sie nicht? Bei all den Herausforderungen, denen sich die Mittelschullehrer täglich stellen müssen, ist es äußerst angebracht.

Sie jedenfalls wollten nie mehr an eine andere Schulart wechseln.

Es ist ein toller Beruf, sicher mitunter auch ein harter Job, mit vielen Herausforderungen und auch mit ganz vielen Erfolgserlebnissen. Sie sind als Lehrer auch viel näher dran am Schüler. Ich bekomme heute noch Besuch von ehemaligen Schülern, manche schreiben mir auch. Und das freut mich dann sehr, dass sie mich nicht vergessen haben.

In zwei Wochen ist Schulschluss und für Sie beginnt ein neues Leben. Haben Sie schon Pläne?

Mein Mann geht ebenfalls in Rente und wir haben uns schon was vorgenommen. Zunächst besuchen wir Familie in der Oberlausitz, dann machen wir eine Schlössertour im Hirschbergtal, dann geht es eine Woche ans Meer und im November unternehmen wir unsere allererste Gruppenreise nach Südafrika. Außerdem freue ich mich darauf, spontan etwas unternehmen zu können, Oper, Theater, Ausstellungen oder einfach Lesen. Und dann will ich ja noch studieren.

Welches Fach?

Psychologie, das hat mich schon immer interessiert. Man muss den grauen Zellen ja was zum Füttern geben.

© SZ vom 20.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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