An der Realschule Oberding wird im kommenden Schuljahr ein neues, außergewöhnliches Wahlfach eingeführt. Einmal die Woche heißt es dann Helm auf, ab in den Stall und Zügel in die Hand - es steht Reitsport auf dem Stundenplan. Eine Kooperation mit dem Gut Wildschwaige in Oberdingermoos macht es möglich. Selbstbewusstsein sollen die Schüler in dem neuen Unterrichtsfach lernen. Darüber hinaus soll das Wahlfach auch mehr Mädchen an die Oberdinger Schule locken. Seit dem Start im Jahr 2012 sind die Buben dort klar in der Mehrzahl.
Begeistertes Kollegium
Judith Jepards ist Pferdewirtschaftsmeisterin, Pächterin des Guts Wildschwaige und Mutter von zwei Oberdinger Realschülern. Die Idee, den Pferdesport als Wahlfach einzuführen, stammt von ihr. Das Kollegium sei gleich begeistert gewesen, berichtet Schulleiter Martin Heilmaier - vor allem eine Lehrerin, die selbst eine begeisterte Reiterin ist. Sie wird künftig den Unterricht begleiten. Richtig losgehen wird es erst im September. Bis dahin sind laut Heilmaier aber noch vier Projekttage auf dem Reiterhof eingeplant.
Auch Eltern und der Förderverein unterstützen das Projekt, erklärt Heilmaier. Die Schüler sowieso. "Das Interesse war riesig", berichtet Heilmaier. Um die 20 Schüler seien schließlich ausgewählt worden. Man muss sagen: Schülerinnen. Das Angebot richtet sich vorläufig nur an Mädchen aus den fünften und sechsten Klassen.
Eine Schülerin will sogar nach Oberding wechseln
Heilmaier verhehlt nicht, dass das außergewöhnliche Wahlfach mehr Mädchen nach Oberding locken soll. Unter den insgesamt 217 Schülern sind die Buben eindeutig in der Mehrzahl - und Reiten gilt nun mal als Mädchensport. Erste Reaktionen machen dem Schulleiter Mut, dass seine Werbekampagne erfolgreich sein könnte. Wie Heilmaier berichtet, hat sich das neue Wahlfach bereits herumgesprochen. "Von einem Bekannten habe ich erfahren, dass ein Mädchen aus Taufkirchen jetzt unbedingt nach Oberding auf die Realschule gehen will."
Es klingt aber auch richtig gut, was Judith Jepards mit ihren Reitschülern vorhat. "Die Schüler werden in mehreren Sparten unterrichtet", erklärt Jepards. Zum Reiten gehöre weitaus mehr als nur fest im Sattel zu sitzen: "Ich muss erst mal das Vertrauen des Tieres gewinnen." Der richtige Umgang mit den Tieren will gelernt sein, "Pferde sprechen unheimlich auf Stimmungen an". Dabei könnten die Kinder auch ihr Selbstbewusstsein stärken und lernen, Verantwortung zu übernehmen. "Außerdem sehe ich immer wieder, wie der Reitsport die Schüler erdet", berichtet Jepards. Natürlich werden auf dem Stundenplan auch das Putzen, das Satteln und das Füttern der Pferde stehen.
Verschiedene Rassen in verschiedenen Größen
65 Pferde sind zur Zeit in Wildschwaige untergebracht. Die Realschülerinnen werden mit zehn Schulpferden arbeiten. "Das sind ganz verschiedenen Rasse in verschiedenen Größen und jedes Pferd hat seine Eigenheiten", beschreibt Jepards die Tiere. Von dieser Vielfalt wiederum profitierten die Schüler, ist sie überzeugt. Warum der Reitsport, der ursprünglich der Männerdomäne Militär entspringt, zum Mädchensport mutiert ist, darüber kann Jepards nur spekulieren. Womöglich spreche das Umsorgen und Kümmern doch eher Mädchen an. Wenn es allerdings in die Leistungsschiene mit Wettbewerben gehen, "sind die Jungen wieder da".
Komplett neu einkleiden müssen sich die Teilnehmer am Wahlfach Reiten übrigens nicht, versichert Jepards. "Die Helme leihen sich die Schülerinnen von unserem Reitschule aus, die sind gut und geprüft", erklärt die Reitlehrerin. "Ansonsten reicht robuste Schuhwerk und wetterangepasste Kleidung, in der man sich gut bewegen kann."
Das Gut gehört dem Flughafen - und der will es verkaufen
Das Projekt hat allerdings - um im Bild zu bleiben - einen kleinen Pferdefuß. Der Reiterhof, den Jepards gepachtet hat, befindet sich im Besitz der Flughafen München GmbH (FMG). Das Gut soll verkauft werden, unter den Bietern befindet sich auch die Familie von Jepards. Im April will die FMG laut Jepards eine Entscheidung fällen. Ihr fünfjähriges Jubiläum als Betreiberin des Reiterstalls Gut Wildschwaige will Jepards heuer allerdings auf jeden Fall feiern.
Ihr vierjähriges Bestehen wiederum kann die Realschule Oberding begehen. Im Schuljahr 2012/2013 startete der Schulbetrieb mit zwei fünften Klassen. Dann wurde jedes Jahr um eine weitere Jahrgangsstufe aufgestockt. Mittlerweile hat die Schule die unterschiedlichsten Wahlfächer im Angebot. Sie reichen von Brauchtum und Heimat über Leseclub, Schülerzeitung, Schülerradio, Ipad, Spanisch, Fußball und Erste Hilfe bis zu Robotik. Bei letzterem sind zwei Studenten von der Technischen Universität Garching mit an Bord und unterstützen die Schüler beim Zusammenbauen und Programmieren von Robotern.
Seit diesem Schuljahr gibt es an der Realschule auch eine achte Klasse. Somit wird erstmals Chemie in Oberding unterrichtet. Die Gemeinde habe sich bei der Ausstattung wirklich nicht lumpen lassen, sagt Rektor Heilmaier. "Das Fach läuft gut". Dank eines äußerst engagieren Chemielehrers habe es auch schon ordentlich "gestunken und geraucht". Das klingt in Schülerohren sicher auch recht verlockend, für Buben wie für Mädchen.