Proteste in Erding:Landrat verzichtet auf Beschränkungen

Lesezeit: 2 min

Impfpflichtgegner, Verschwörungsgläubige und Leugner der Pandemie werden erneut von der Polizei durch Erding geführt - und dürfen so weiter machen

Von Florian Tempel, Erding

Erneut ist in Erding am Montagabend eine große Menge Impfpflichtgegner, Pandemieleugner und Verschwörungsgläubiger zu einer unangemeldeten Demonstration zusammengekommen. Die Polizei zählte wie in den Wochen zuvor wieder etwa 1500 Teilnehmer. Auch die Zahl der Gegendemonstranten, die am Schrannenplatz in der Erdinger Innenstadt ein Zeichen für Solidarität und das Impfen setzten, war mit etwa 80 Teilnehmern ungefähr so groß wie zuletzt. In Dorfen und Wartenberg fanden ebenfalls wieder unangemeldete Protestmärsche mit circa 300 und 70 Teilnehmern statt. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) will die Demos weiterhin nicht mit einer Allgemeinverfügung beschränken.

An den unangemeldeten Corona-Demos nahmen im Januar und Februar in Erding bis zu 1600 Menschen teil. (Foto: Stephan Görlich)

Die unangemeldete Demo in Erding folgt einem bereits bekannten Schema, dessen Ablauf vom Landratsamt und der Polizei festgelegt worden ist: Die Impfpflichtgegner, Pandemieleugner und Verschwörungsgläubigen strömen kurz vor 19 Uhr von allen Seiten auf dem Schrannenplatz zusammen. Die Polizei hat sich vorbereitet, die Straße am Schrannenplatz entlang abgesperrt und den Platz mit hüfthohen Absperrungen in zwei Hälften geteilt. Die Impfgegner stehen dicht beieinander, kaum einer trägt eine Schutzmaske. Die Polizei gibt per Durchsage als "Auflagen und Beschränkungen" lediglich bekannt, dass "zwischen allen Versammlungsteilnehmern ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu wahren" sei. Kurz nach 19 Uhr wird durchgesagt, dass der Protestzug los gehe. Ein Streifenwagen fährt mit Blaulicht voraus. Gleich dahinter folgen als Erste mehrere AfD-Mitglieder, die seit Wochen zum Beispiel im Messengerdienst Telegram für die Teilnahme an der Demo werben und es sich nicht nehmen lassen, sich an die Spitze des Protestmarschs zu setzten.

Für die Gegendemonstranten ist die Maskenpflicht eine Auflage, die die Polizei kontrolliert. (Foto: Stephan Görlich)

Die Gegendemonstranten bleiben am Schrannenplatz. Nicht wenige sind zum wiederholten Mal da und durchaus etwas enttäuscht, dass diese Kundgebung erneut relativ klein ausfällt. Man müsse sie stärker ankündigen und mehr Gleichgesinnte motivieren. Eine Erdingerin, die zum dritten Mal dabei ist, hat an diesem Abend Anschluss gefunden. "Beim ersten Mal war es schon komisch für mich", sagt sie, "die auf der anderen Seite sind so viele und ich habe mich auf dem Weg hierher so allein gefühlt." Für die drei anderen Frauen, die ihr nun helfen, ihre auf ein Stück Tapete geschriebene Botschaft zu halten, ist es der erste Montagabend dieser Art. Sie sind der Ansicht, es sei höchste Zeit, dass sich mehr Menschen gegen die von Rechtsradikalen mitorganisierten Demos stellten. Ein Erdinger Ehepaar ist ebenfalls zum dritten Mal bei den Gegendemonstranten. Sie sagt, es sei toll, dass diese Kundgebung von einer Gruppe junger Menschen organisiert werde. Bekannte zum Mitdemonstrieren zu bewegen, sei aber nicht einfach. Eine Kollegin habe ihr gesagt, sie würde gerne mitgehen, ihr fehle als Long-Covid-Patientin aber einfach die Kraft dazu. Ihr Mann sagt, er habe in der vergangenen Woche dem Landrat geschrieben, "weil es aus ganz viel verschiedenen Gründen nicht geht", was hier stattfindet. Als Antwort habe er aber nur Auszüge aus einer schon bekannten Presseerklärung erhalten.

An diesem Dienstag heißt es aus dem Büro des Landrats, "der Erlass einer Allgemeinverfügung gestaltet sich derzeit aus rechtlichem Gesichtspunkt schwierig". Als Beispiel wird der Landkreis Starnberg genannt, wo Versammlungen aller Art untersagt worden waren, was vor dem Verwaltungsgericht keinen Bestand hatte.

Es gibt freilich auch andere Beispiele, wie den Landkreis Berchtesgadener Land. Die dort erlasse Allgemeinverfügung beschränkt vernünftigerweise lediglich unangemeldete Versammlungen. Die Berchtesgadener Verfügung enthält zwei wesentliche Punkte: Die Impfgegner müssen durchgehend FFP2-Masken tragen und dürfen nicht durch die Städte marschieren. Abstandhalten steht zwar auch drin. Aber in der Erläuterung heißt es: "Die Verpflichtung zur Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Meter zwischen den Versammlungsteilnehmern ergibt sich bereits unmittelbar aus der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Die Regelung ist insoweit nur deklaratorisch."

© SZ vom 19.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: