Landkreis Erding:Finanzinvestoren auf dem Vormarsch

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Blick in ein Sprechzimmer: Vor allem die Praxen von Augenärzten oder Radiologen sind aktuell im Visier von Finanzinvestoren. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Auch im Landkreis Erding sind schon Praxen verkauft worden. Der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands sieht die Entwicklung kritisch.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Bundesweit warnen Experten vor der Übernahme von Arztpraxen durch Finanzinvestoren. Denn sie stellen für diese eine gewinnbringende Anlagemöglichkeit dar. Auch im Landkreis Erding ist nach Kenntnis von Markus Marschall, dem Vorsitzenden des Ärztlichen Kreisverbands Erding, eine Praxis bereits verkauft worden. Er sieht die Übernahme von Arztpraxen durch Investoren ebenfalls kritisch. Dadurch fließe Geld aus dem Gesundheitswesen ab, zudem bestehe die Gefahr der Störung eines vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnisses. Laut Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek werden vor allem Fachärzte wie Augenärzte, Nephrologen, aber auch Radiologen angesprochen.

Teilweise kann Markus Marschall die Gründe für einen Verkauf verstehen: "Es gibt das Problem, dass viele jüngere Ärzte und Ärztinnen kein Interesse mehr an der Selbstständigkeit mit den damit verbundenen Belastungen und der Regelwut im deutschen Gesundheitssystem haben." Dass das System immer noch gut funktioniere, beruhe unter anderem auf der "Bereitschaft der Akteure zur Selbstausbeutung". Bei beiden Problemfeldern sei die Politik gefragt, um hier bessere Bedingungen zu schaffen, sagt der Kreisvorsitzende.

Auf der Homepage des "Ophthalmologie-Netzwerks" Sanoptis ist auch Erding als Standort genannt

Als Beispiel für einen Betreiber von Augenarztpraxen hat der NDR in seinen Recherchen die erst 2018 gegründete Private-Equity-Gesellschaft Sanoptis genannt, die bereits die größte Augenarztkette in Deutschland mit mehr als 150 Standorten sei. Sanoptis wurde jüngst selbst verkauft, an die belgische Groupe Bruxelles Lambert (GBL), die seit einiger Zeit ein Deutschlandbüro betreibt. Auf der Homepage des "Ophthalmologie-Netzwerks" Sanoptis ist auch Erding als Standort genannt. Ein Aufruf, um zu erfahren, welche Praxis zum Netzwerk gehört, endet aber mit dem Hinweis "Die Website ist nicht erreichbar. Die Antwort von augenarzt-erding.de hat zu lange gedauert".

Gemäß den Recherchen des NDR arbeitet geschätzt etwa ein Fünftel aller in Deutschland ambulant tätigen Augenärzte in Praxen von Finanzinvestoren. Dazu zitiert der NDR einen Londoner Finanzanalysten, der das Gesundheitswesen aufgrund der alternden Bevölkerung als sehr attraktiv für Investoren einschätzt. Renditeerwartungen von 20 Prozent seien bei Finanzinvestoren durchaus üblich.

Die Ärzte fordern eine weniger aufwendige Dokumentation

Markus Marschall verweist auf eine aktuelle Stellungnahme der Bundesärztekammer zu dem Thema. Diese hat einen Maßnahmenkatalog gegen den Kommerzialisierungsdruck in der ambulanten und stationären Versorgung beschlossen. Darin fordert die Ärzteschaft unter anderem, die Gründung von medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch Krankenhäuser an einen fachlichen, räumlichen und regionalen Bezug zu deren Versorgungsauftrag zu koppeln. "Ärztliche Entscheidungen dürfen nicht zulasten der medizinischen Indikation und Versorgungssicherheit von wirtschaftlichen Vorgaben beeinflusst werden", stellt der Deutsche Ärztetag klar. Zusätzlich sollten die MVZ dazu verpflichtet werden, die Trägerschaft auf dem Praxisschild auszuweisen. Ökonomische Überlegungen dürften sich nicht auf die Qualität der Patientenversorgung auswirken.

"Auf Dokumentationsaufgaben und Arztbriefe wird deutlich mehr Arbeitszeit verwendet als auf den direkten Patientenkontakt und die Befundrecherchen. Dass die Patientenbehandlung deswegen häufig zu kurz kommt, belastet viele Ärztinnen und Ärzte, gerade weil die Fehleranfälligkeit unter Zeitdruck steigt", heißt es in dem Beschluss. In Kombination mit der chronisch zu hohen Wochenarbeitszeit senkt dies nachhaltig die Attraktivität des Arztberufes, wie auch Marschall findet.

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