Prävention oder Aktionismus?:Exorbitante Nachfrage nach Luftfiltern

Lesezeit: 3 min

Die Politik ist sich uneins, ob mobile Geräte helfen, die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. In Erding wird nun untersucht, ob die städtischen Kitas feste Anlagen bekommen sollen

Von Antonia Steiger und Florian Tempel, Erding/Dorfen

Wo Kinder und Jugendliche sich mit dem Coronavirus anstecken, ist unklar, ob beim Kindergeburtstag, zuhause oder in der Schule. Luftfilter in Klassenzimmern und Gruppenräumen in Schulen und Kindertageseinrichtungen sollen helfen, die Verbreitung einzudämmen, doch restlos überzeugt von dieser Anschaffung sind nicht alle. Die Klassenzimmer in Erdings Grund- und Mittelschulen sind bereits mit Filtern ausgestattet, vor weiteren Käufen untersucht die Stadt nun aber, ob feste Lüftungsanlagen in den eigenen Häusern möglich wären. Dorfen geht einen anderen Weg und hat den Kauf von 122 weiteren Geräten beschlossen. Es gibt aber auch Einrichtungen, die keine haben wollen.

"Wir haben uns gemeldet und unser Interesse natürlich bekundet", sagt Monika Lössl, die künftige Leiterin des Kindergarten St. Vinzenz in Erding. Auch der Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt hat für seine Einrichtungen im Stadtgebiet seinen Bedarf ans Rathaus gemeldet. Bei dieser Abfrage kam heraus, dass etwa hundert weitere Geräte nötig wären, um in allen Fach- und Gruppenräumen der Schulen und in allen relevanten Räumen der Kitas in Erding je einen Filter aufzustellen. Der Waldorfkindergarten Kinderinsel in Pretzen hat sich nicht gemeldet: "Wir sind eine kleine Einrichtung mit wenigen Kindern und kommen mit dem Lüften gut zurecht", heißt es von dort.

Für die Häuser im städtischen Eigentum haben die Stadträte beschlossen zu untersuchen, ob feste Anlagen besser wären. Die Träger anderer Kitas müssen das für sich selbst entscheiden. Jeder Kauf wird mit 50 Prozent, höchstens jedoch mit 1750 Euro bezuschusst. OB Max Gotz (CSU) kritisierte dabei nicht zum ersten Mal, dass es keine "profunden Kenntnisse" gebe, wie nützlich die Luftfilter seien. Rainer Vogl (FDP) sagte, wichtiger sei, dass sich die Kinder die Hände richtig waschen. Luftfilter aufzustellen, gaukele eine falsche Sicherheit vor. Wie Gotz sagte, befinde sich die Stadt in guter Gesellschaft, wenn sie auf den Kauf weiterer Geräte verzichte, "weil man damit das Problem nicht löst". Diese Erkenntnis hat er vom Gemeindetag mitgebracht. Auch im Landkreis gehen die Kommunen unterschiedliche Wege. So hat Wartenberg kürzlich beschlossen, die Schulen ausschließlich mit fest installierten Lüftungsanlagen auszustatten. Und das prüft man nun auch in Erding - wohlwissend, dass dafür bauliche Eingriffe nötig sind und diese nicht von heute auf morgen umzusetzen sind. Doch auch der Kauf von hundert Geräten ginge nicht so schnell. Eine Ausschreibung wäre nötig, es sei unklar, wie schnell die Geräte geliefert werden könnten - und zu welchem Preis. Gotz sagte, die Nachfrage sei "exorbitant", die Preise gingen ungebremst in die Höhe. Und so stellt sich mancher die Frage, ob die Corona-Pandemie schon vorbei ist, bis die Luftfilter in den Räumen stehen. Andere sind sich nicht sicher, ob die Filter überhaupt überall eingeschaltet werden, weil sie schon auf der niedrigsten Stufe zu laut seien. "Die Akzeptanz muss da sein", findet daher auch Grünen-Sprecher Herbert Maier.

In Dorfen hat der Haupt- und Finanzausschuss kürzlich die Anschaffung von 122 Geräten genehmigt. Die Stadt kostet das 150 000 Euro. In einer ersten Runde hatte sie im Frühjahr schon einmal Luftreinigungsgeräte gekauft, aber nicht für alle Klassenzimmer ihrer Schulen. Der Hauptausschuss hatte damals beschlossen, nur für diejenigen Räume Luftreiniger anzuschaffen, die nicht durch Fenster- und Türöffnen ausreichend gelüftet werden können. Lüften bleibe ja so oder so das Wichtigste. Nach der eindringlichen Aufforderung der bayerischen Staatsregierung, alle Klassenräume auszustatten, reagierte der Bauausschuss des Dorfener Stadtrats Ende Juli und beschloss, nun alle städtischen Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen auszustatten.

Bis die Luftfilter geliefert werden, wird noch einige Zeit vergehen. Der Anbieter, der den Zuschlag bekommen hat, sei jedoch nicht nur der günstigste im Preis - ein einzelnes Gerät kostet knapp 2500 Euro -, sondern auch der schnellste, erklärte Kämmerin Maria Bauer. Sobald die Dinger da sind, können sie sofort in Betrieb genommen werden. Es brauche keine besonderen Wartungsvertrag, erklärte Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) auf Nachfrage. Die Hausmeister müssen lediglich ab und an die Filtereinsätze austauschen.

Grundner machte allerdings noch einmal deutlich, dass ihm die ganze Aktion nicht gefällt. "Meine generelle Kritik am Vorgehen des Kultusministeriums und der Staatsregierung will ich nicht wiederholen", sagte Grundner, um es dann doch zu tun. Dass der Staat die Anschaffung der Geräte verlange, jedoch nur die Hälfte der Kosten übernehme, sei ein "massiver Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip". Die Kommunen würden "durch die Hintertür" zum Kauf der Geräte gezwungen.

© SZ vom 29.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: