Politik in Erding:"Wir haben sehr ehrgeizige Ziele"

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Die Grünen zeigen sich bei ihrer ersten Präsenz-Kreisversammlung seit Beginn der Pandemie in bester Stimmung

Von Florian Tempel, Erding

Die Grünen sind happy, richtig gut drauf. Bei der ersten Kreisversammlung nicht nur am Bildschirm, sondern zusammen in einem Konferenzraum im Hotel Henry in Erding, wird viel gelacht und sich gefreut. Am Ende des offiziellen Teils hält Karlheinz Reingruber nichts mehr auf dem Platz. Er ist ein Grüner von Anfang an, seine Haare und sein Bart sind schlohweiß. Er steht auf, weil er so begeistert ist und unbedingt etwas los werden muss: "Wenn mir das einer früher gesagt hätte, dass wir mal so viele sein werden ...". Er könne kaum glauben, dass es wahr ist.

Der Kreisverband der Grünen hat aktuell 220 Mitglieder. Dahinter steckt eine gewaltige Steigerung. In den vergangenen drei Jahren gab es knapp 100 Neuzugänge. Das seit diesem Jahr amtierende Sprecher-Duo Annett Burgarth und Stefan Herbasch repräsentiert das ganz gut. Beide sind erst seit relativ kurzer Zeit Mitglieder bei den Grünen, aber mit großem Elan aktiv, zuerst bei der Gründung in ihren Ortsverbänden, von denen es mittlerweile neun Stück gibt, und seit einem halben Jahr auch im Kreisvorstand.

Sehr gut läuft es insbesondere bei den jungen Leuten. Der 16-jährige Konrad Thees ist in diesem Jahr zum Sprecher des Ortsverbands Erding gewählt worden und eine treibende Kraft beim Aufbau der Erdinger Grünen Jugend. Die gibt es offiziell noch gar nicht, die Gründungsversammlung im November ist aber schon terminiert. Thees sagte bei der Kreisversammlung, dass er mit "um die 30 Mitglieder" rechne. Auf Instagram sei man schon jetzt präsent. "Folgt uns auf Instagram", rief Thees seinen Parteifreunden zu, "wir brauchen mehr Traffic, das ist richtig wichtig".

Die Grünen werden aber nicht nur von jugendlicher Dynamik angetrieben. Die Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung in einer Ampel-Koalition hebt die Stimmung bei Grünen jedes Alters. Helga Stieglmeier, Erdinger Stadt- und Kreisrätin und Mitglied im Landesvorstand, räumte zwar ein, dass "wir alle nach einem fulminanten Wahlkampf am Wahlabend ein bisschen enttäuscht waren". Dabei kann sie das Ergebnis im Wahlkreis Erding-Ebersberg durchaus sehen lassen, wie Direktkandidat Christoph Lochmüller in seiner Analyse darlegte. Mit 14,7 Prozent lag man nur um ein Zehntel Prozentpunkt unter dem bundesweite Ergebnis, aber 0,6 Prozent über dem Bayernergebnis. Bei den Zweitstimmen kamen die Grünen im Wahlkreis Erding-Ebersberg auf Platz 16 der 46 bayerischen Wahlkreise. Am stärksten waren die Ergebnisse in Kommunen im Landkreis Ebersberg. Im Landkreis Erding lag Ottenhofen mit 17,6 Prozent vorne.

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Daran erinnerte Helga Stieglmeier, die schon die bayerischen Landtagswahlen 2023 im Blick hat: "Da haben wir sehr ehrgeizige Ziele." Der aktuelle Fokus liegt jedoch erst mal auf eine Regierungsbildung in Berlin. Die grüne Basis wäre nicht die grüne Basis, wenn sie die Sondierungsgespräche nicht äußerst kritisch beobachten würde. Auch Stieglmeier sprach das an: "Ganz massiv aufgeschlagen ist das Thema Tempolimit." Es werde leider keines geben, "weil das für die FDP ein wahnsinniges Symbol für Freiheit ist", sagte Stieglmeier und fügte an, "Freiheit wie sie die FDP versteht: jeder kann machen was er will". Die Grünen seien auch für Freiheit "aber verknüpft mit Verantwortung". Im Gegenzug hätten die Grünen aber beim Klimaschutz "einiges rausverhandelt". Bei den gesellschaftlichen Themen gebe es eh größere Gemeinsamkeiten. Ein Punkt sei etwa die vereinbarte Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Bundestags- und Europawahlen. Dass besonders von konservativen Kreise vorgebrachte Gegenargument, so junge Menschen seien über Politik zu wenig informiert seien, konterte Stieglmeier scharf: "Da brauche ich mich nur im Stadtrat oder im Kreistag umzuschauen, da sitzen 30-, 40- und 50-Jährige, die keine Ahnung haben."

Zum Abschluss sagte Stieglmeier, die sich abzeichnende Dreierkoalition gebe ihr "auch die Hoffnung, dass es einen Wechsel in der politischen Kultur gibt", hin zu einem besseren Miteinander. Florian Geiger, Fraktionssprecher der Grünen im Kreistag, kündigte an, demnächst eine Bilanz grüner Anträgen vorzulegen. Die würden der Reihe nach abgelehnt, abgebügelt oder gar nicht erst behandelt. Nur ein einziger, zu geschlechtergerechter Sprache, sei angenommen worden.

© SZ vom 22.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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