Poing:Die Frage nach dem Wie

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Die Gemeinde wirbt für Courage, Vielfalt und gegen Ausgrenzung - konkrete Pläne bleiben offen

Von Korbinian Eisenberger, Poing

Angela Warg-Portenlänger sprach erst gegen End ins Mikro, sie sprach für das Ebersberger Bündnis gegen Rechtsradikalismus "Bunt statt Braun": "Unser Anspruch ist: präsent sein, Vorträge halten, Theaterstücke zeigen und jedwede Form von Aufklärungsarbeit", sagte sie und nannte damit drei konkrete Beispiele, wie man sich als Person für präventive Maßnahmen gegen Rassismus einsetzen kann. Die Mitglieder von "Bunt statt Braun" machen das seit zwölf Jahren so.

Warg Portenlängers Wortmeldung ist von besonderer Bedeutung, weil sie die Fallhöhe dieses kommunalen Projekts umreißt: Poing hat sich per Gemeinderatsbeschluss zum Ziel gesetzt, Haltung zu zeigen: Für eine Gesellschaft der Vielfalt, gegen jegliche Form von Ausgrenzung. Um dieses Vorhaben offiziell und öffentlichkeitswirksam einzuläuten, hielt die Gemeinde am Mittwochabend eine Auftaktveranstaltung in der Dominik-Brunner-Realschule ab. Der Einladung folgten 80 Gäste - viele von ihnen mit Redebedarf zum Projekt und dessen Umsetzung. Es ging also auch um das, worauf Warg-Portenlänger eine mögliche Antwort gab: Das Wie.

In der Frage nach dem Warum waren sich an diesem Abend so gut wie alle einig: Was Poing vorhat ist ungewöhnlich und ambitioniert für eine gute Sache. Oder wie es Nicola Hieke von der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus des bayerischen Jugendrings ausdrückte: "Es gibt sehr wenige Gemeinden die bei diesem Thema vorausschauend denken". Deswegen, so Hieke, könne man Poing nur gratulieren. Es sei in der Gesellschaft, so wie sie sich derzeit darstellt, an der "Zeit zu agieren und nicht nur reagieren", sagte sie.

Die sich in der Aula der Realschule versammelten, gaben genau dieses Bild ab: Ein Bild von Einheit und Vielfalt, so wie es die Gemeinde anstrebt: Im Publikum saßen Vertreter des Poinger Asylhelferkreises, Politiker, Familien mit Kindern, darunter eine Mutter, die vor 13 Jahren aus Irland nach Poing kam. Auch im Publikum: Eine Frau die für den Schwertkampfverein Eisenteufel gekommen war, eine Vertreterin des Kreisjugendrings, Polizeichef Helmut Hintereder, die Rektoren der Seerosen- und Brunner- Schule, Pfarrer Christoph Klingan, Lehrer und Schüler.

In der ersten Reihe saß Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD). In seinem Grußwort ging er einmal mehr auf die aus seiner Sicht fremdenfeindliche Wahlwerbung einer ihm fernstehenden Partei ein, weswegen er sich von genau dieser Partei unlängst eine Dienstaufsichtsbeschwerde einhandelte. Er stehe da drüber, sagte er. "Sowas geht in meiner Gemeinde nicht solange ich Bürgermeister bin." Ihm gehe es nicht darum, ein Label für Courage zu erhalten (welches eine Berliner Organisation unter Auflagen an Kommunen vergibt), sondern darum, klar Kante zu zeigen.

Wer gerne in einer offenen demokratischen Gesellschaft lebt, muss gegen Ausgrenzung sein, und für Vielfalt und Freiheit. Die Werte, die sich Poing hier auf die Fahnen schreibt, sind bekanntlich nicht neu. Neu ist, das man sie in der Gemeinde künftig offensiver vertreten will. Nach dem Beispiel der Dominik-Brunner-Schule, die nach einer Hakenkreuzschmiererei in kurzer Zeit die nahezu komplette Schüler- und Lehrerschaft mobilisierte, und so innerhalb weniger Tage in das europäische Netzwerk der "Schulen ohne Rassismus - Schulen mit Courage" berufen wurde.

Also doch auch reagieren? Und gleichzeitig vorbeugend agieren? Die Frage nach dem Wie ist hier für eine Gemeinde nicht sicher so leicht und schnell zu beantworten, wie für eine Schule oder ein Antirechtsbündnis. Konkrete Pläne stellten die Veranstalter und jene, die sich beteiligen jedenfalls nicht vor. Noch nicht, so ist es den Ankündigungen zu entnehmen, etwa von SPD-Gemeinderat Omid Atai, der das Projekt angestoßen hat. Er wolle eine Kerngruppe installieren, sagte er, eine Art Wertemenge als "Begegnungsstätte für Vertrauen.

Wie aber verhält man sich künftig? Was kann der Einzelne ändern? Peter Stöckl vom Poinger Helferkreis nahm zu dieser Frage Stellung und erklärte seine Interpretation. Dazu stellte er das Szenario in den Raum, wenn man mitbekommt, wie ein Passagier in der S-Bahn rassistisch angepöbelt wird. "Dann müssen wir aufstehen und sagen: So nicht, nicht mit uns", sagte Stöckl. Für ihn gehe das Projekt in die Richtung "dass aus einer schweigenden Mehrheit eine Mehrheit wird, die nicht mehr schweigt".

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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